Der Drachenbeinthron
durchzog den ganzen gerundeten Eschenholzrücken, und eine der Saiten hing nutzlos gekräuselt herunter.
»Wenige und unfrohe Musik wird es heute Abend geben«, sagte der Harfner und folgte den anderen hinaus.
Es war noch eine Stunde bis zur Morgendämmerung, als Lluth an ihr Bett trat. Sie hatte die ganze Nacht nicht schlafen können, ganz verkrampft vor lauter Sorge um ihn. Als er sich bückte und ihren Arm berührte, tat sie, als schliefe sie, um ihm das Einzige zu ersparen, das sie ihm ersparen konnte: zu wissen, wie sehr sie sich fürchtete.
»Maegwin«, sagte er leise. Mit fest geschlossenen Augen wehrte sie sich gegen das Verlangen, die Arme auszustrecken und ihn fest an sich zu drücken.
In voller Rüstung bis auf den Helm, wie sie am Klang seiner Schritte und dem Geruch des Polieröls gemerkt hatte, wäre es ihm vielleicht schwergefallen, sich wieder aufzurichten, wenn sie ihn an sich zog. Aber selbst diesen Abschied, so bitter er auch war, konnte sie ertragen. Was sie nicht ertrug, war der Gedanke, dass er in dieser Nacht aller Nächte zeigen könnte, wie müde und alt er war.
»Seid Ihr es, Vater?«, fragte sie endlich.
»Ja.«
»Ihr brecht jetzt auf?«
»Ich muss. Die Sonne wird bald aufgehen, und wir wollen bis zum Vormittag den Rand des Kammwaldes erreicht haben.«
Sie setzte sich auf.
Das Feuer war heruntergebrannt, und selbst mit geöffneten Augen konnte sie nur wenig erkennen. Durch die Wand vernahm sie das leise Schluchzen ihrer Stiefmutter Inahwen. Maegwin überkam ein Anflug von Zorn darüber, dass sie ihren Kummer so zur Schau stellt.
»Bryniochs Schild über Euch, Vater«, sagte sie und streckte blindeine Hand nach seinem zerschlagenen Gesicht aus. »Ich wünschte, ich wäre ein Sohn, um an Eurer Seite zu kämpfen.«
Sie fühlte, wie sich unter ihren Fingern seine Lippen kräuselten. »Ach, Maegwin, du warst immer ein wildes Ding. Hast du nicht genügend Pflichten hier? Es wird nicht leicht sein, im Taig zu herrschen, wenn ich fort bin.«
»Ihr vergesst Eure Gemahlin.«
Wieder lächelte Lluth in der Dunkelheit. »Das tue ich nicht. Du bist stark, Maegwin, stärker als sie. Du musst ihr etwas von deiner Kraft leihen.«
»Für gewöhnlich bekommt sie, was sie will.«
Die Stimme des Königs blieb sanft, aber er packte ihr Handgelenk mit festem Griff.
»Nicht doch, Tochter. Ihr beide und Gwythinn seid mir die drei Liebsten auf der Welt. Hilf ihr!«
Maegwin verabscheute es zu weinen. Sie zog die Hand aus den Fingern ihres Vaters und rieb sich heftig die Augen. »Ich werde es tun«, versprach sie. »Vergebt mir.«
»Ich habe nichts zu vergeben«, antwortete er, nahm noch einmal ihre Hand und drückte sie. »Leb wohl, Tochter, bis ich wiederkomme. Es kreisen grausame Raben über unseren Feldern, und wir werden große Mühe haben, sie zu vertreiben.«
Sie sprang auf, hinaus aus dem Bett, und umschlang ihn. Gleich darauf öffnete sich die Tür, und sie hörte seine sich langsam durch die Halle entfernenden Schritte, das Klirren der Sporen wie triste Musik.
Später, als sie weinte, zog sie die Decken über den Kopf, damit niemand es hörte.
36
Frische Wunden, alte Narben
ie Pferde hatten vor Qantaqa nicht wenig Angst, sodass sich Binabik auf der grauen Wölfin ein gutes Stück vor Simon und den anderen hielt. Er trug eine abgedeckte Lampe, um ihnen in der dichten Finsternis den Weg zu weisen. Als der kleine Zug am Bergsaum dahinritt, hüpfte das flackernde Licht vor ihnen her wie eine Totenkerze.
Der Mond drückte sich in sein Wolkennest, und sie kamen nur langsam und vorsichtig voran. Zwischen dem sanft wiegenden Rhythmus des Pferdes unter ihm und dem Gefühl seines warmen, breiten Rückens wäre Simon mehrmals um ein Haar eingeschlafen, hätten ihn nicht die dünnen, krabbelnden Finger der Zweige eng am Weg stehender Bäume immer wieder aufgeschreckt.
Es wurde wenig geredet. Von Zeit zu Zeit flüsterte einer der Männer seinem Ross etwas Aufmunterndes zu, oder Binabik rief leise zu ihnen hinüber, um sie vor einem bevorstehenden Hindernis zu warnen. Ohne solche Laute und das gedämpfte Prasseln der Hufschläge hätten sie ein grauer Pilgerzug verlorener Seelen sein können.
Als endlich das Mondlicht durch einen Riss in der Wolkendecke zu sickern begann, kurz vor Anbruch der Dämmerung, hielten sie an, um zu lagern. In ihrem dampfenden Atem fing sich der Mondschein, sodass es schien, als stießen sie silberblaue Wolken aus, während sie ihre Reittiere und die beiden Packpferde
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