Der Drachenbeinthron
gesagt, dass Feuer reinigt, dachte er. Aber wenn das stimmt, warum hat dann jeder Angst vor dem Feuer, vor dem Brennen? Nun ja, bei Ädon, wahrscheinlich möchte niemand so ganz und gar gereinigt werden.
»O nein«, rief Haestan. Simon ritt fast auf ihn auf, als der große Wachsoldat sein Pferd zügelte. »Du guter Gott«, fügte der Erkynländer hinzu.
Simon spähte an ihm vorbei und gewahrte eine Reihe dunkler Schemen, die sich jetzt aus dem Schatten der Bäume am Ortseingang lösten und sich langsam auf die verschneite Straße zubewegten, keine hundert Ellen vor ihnen. Berittene Männer. Als sie ihre Deckung verließen, zählte Simon sie … sieben, acht, neun. Sie waren sämtlich gepanzert. Ihr Anführer trug einen Helm aus schwarzem Eisen, der wie ein Hundekopf geformt war. Als er sich umdrehte, um seine Befehle zu erteilen, zeigte das Profil die geifernde Schnauze. Die neun ritten los.
»Der dort, der mit dem Hundekopf.« Sludig zog seine Äxte heraus und deutete auf die Näherkommenden. »Er hat den Überfall auf uns in Sankt Hoderund angeführt. Er ist es, dem ich noch etwas schuldig bin: für den jungen Hove und die Mönche im Kloster.«
»Mit denen werden wir nie fertig«, bemerkte Haestan ruhig. »Zerhacken werden sie uns – neun Männer gegen sechs, darunter ein Troll und ein Knabe.«
Binabik sagte nichts, sondern schraubte gelassen seinen Wanderstab auseinander, den er unter den Gurtriemen von Qantaqas Sattel geschoben hatte. Als er ihn wieder zusammensetzte, eine Sache von Sekunden, erklärte er: »Wir müssen fliehen.«
Sludig hatte bereits sein Pferd vorwärtsgespornt, aber Haestan und Ethelbearn holten ihn nach wenigen Schritten ein und ergriffen seine Ellenbogen. Der Rimmersmann, der nicht einmal den Helm aufgesetzt hatte, versuchte sie abzuschütteln. In seinen blauen Augen lag ein leicht abwesender Blick.
»Gottverdammt, Mann!«, rief Haestan, »komm mit! Unter den Bäumen haben wir wenigstens eine Chance!«
Der Führer der fremden Reiter rief etwas, und seine Männer setzten ihre Pferde in Trab. Von den Pferdehufen wallte weißer Nebel auf, als liefen sie über Meeresschaum.
»Dreh ihn um!«, schrie Haestan Ethelbearn zu und packte die Zügel von Sludigs Ross, während er selbst umschwenkte. Ethelbearn versetzte dem Tier des Rimmersmannes mit dem Schwertgriff einen heftigen Schlag auf die Flanke, und sie machten vor den Heranreitenden kehrt, die jetzt in vollem Galopp und schreiend auf siezuhielten und Beile und Schwerter schwangen. Simon zitterte so, dass er Angst hatte, er könnte aus dem Sattel fallen.
»Binabik! Wohin?«, schrie er mit überschnappender Stimme.
»In die Bäume!«, rief Binabik zurück, und Qantaqa machte einen Satz. »Unseren Tod würde es bedeuten, die Straße wieder hinaufzureiten. Vorwärts, Simon, und bleib nah bei mir!«
Die Rosse der Gefährten bockten und traten nach allen Seiten, als sie vom breiten Weg heruntergelenkt wurden, fort von Haethstads geschwärzten Ruinen. Irgendwie brachte Simon es fertig, den Bogen von seiner Schulter gleiten zu lassen; dann presste er sich flach an den Nacken des Pferdes und gab dem Tier die Sporen. Ein Sprung, bei dem ihm alle Knochen im Leib wehtaten, dann jagten sie durch den Schnee und in den immer dichter werdenden Wald hinein.
Simon sah noch Binabiks schmalen Rücken und das hüpfende Grau von Qantaqas Hinterteil, dann umgaben ihn die Bäume. Hinter ihm erklangen Rufe; er drehte sich um und gewahrte seine dicht beieinander reitenden Gefährten, dahinter die dunkle Masse der Verfolger, die sich jetzt aufspalteten und im Wald verteilten. Er hörte ein Geräusch wie von zerreißendem Pergament und sah kurz, wie in einem Baumstamm unmittelbar vor ihm ein Pfeil zitterte.
Das gedämpfte Trommelfeuer der Hufschläge war jetzt überall und dröhnte ihm in den Ohren, während er sich mit aller Kraft in seinem schwankenden Sattel festhielt. Plötzlich pfiff ein schwarzer Faden vor seinem Gesicht durch die Luft, dicht gefolgt von einem zweiten: Die Verfolger hatten sie seitlich überholt und schossen jetzt ihre Pfeile von der Flanke ab. Simon hörte sich selbst den stampfenden Gestalten etwas zuschreien, die um ihn herum durch die Bäume huschten, und ein paar weitere, zischende Geschosse sausten an ihm vorüber. An den Sattelknopf geklammert, streckte er die Hand mit dem Bogen aus, um einen Pfeil aus dem auf- und abhüpfenden Köcher zu ziehen; aber als er ihn vor sich hatte, sah er den Pfeil hell vor der Schulter des Rosses
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