Der Drachenbeinthron
aufblitzen. Es war der Weiße Pfeil.
Im Bruchteil eines Augenblick, Simon kam es viel länger vor, hatte er ihn über die Schulter in den Köcher zurückgeschoben und einen anderen herausgeholt. Irgendwo in seinem Kopf lachte ihn einehöhnische Stimme aus, weil er in einer derartigen Situation bei seinen Pfeilen wählerisch war.
Fast hätte er Bogen samt Pfeil verloren, als sein Pferd um einen schneebedeckten Baum herumschwenkte, der plötzlich vor ihnen mitten aus dem Weg zu wachsen schien. Gleich darauf vernahm er den entsetzten und entsetzlichen Schrei eines stürzenden Pferdes. Hastig warf er einen Blick über die Schulter. Nur noch drei seiner Gefährten folgten ihm. Weiter hinten – und jeden Moment weiter entfernt – tobte ein Gewirr von Armen und strampelnden Pferdebeinen im aufgewirbelten Schnee. Die Verfolger sprengten um den gefallenen Reiter herum oder über ihn hinweg, ohne sich aufhalten zu lassen.
Wer war es? – ein kurzer, flackernder Gedanke.
»Den Berg hinauf, den Berg!«, schrie irgendwo rechts von Simon mit heiserer Stimme Binabik. Der Junge sah die Fahne von Qantaqas Schwanz, als die Wölfin eine Senke hinauf- und unter eng beieinander stehenden Bäume hindurchhetzte. Einige Fichten standen daneben wie gleichgültige Posten und schauten zu, wie das schreiende Chaos an ihnen vorbeiraste. Simon zerrte hart am rechten Zügel, obwohl er keine Ahnung hatte, ob sein Pferd sich überhaupt darum kümmern würde; doch schon schwenkten sie seitwärts und jagten hinter der voranspringenden Wölfin den Hang hinauf. Die drei anderen überholten ihn und zügelten dann im kargen Schutz einer Umfriedung aus stocksteifen Stämmen ihre dampfenden Rosse.
Sludig hatte immer noch keinen Helm auf dem Kopf, und der Dünne dort musste Grimmric sein, aber der dritte, kräftig und behelmt, war ein kurzes Stück weiter bergauf geritten. Noch ehe Simon sich umdrehen und feststellen konnte, wer er war, hörte er einen heiseren Schrei des Triumphes. Die fremden Reiter hatten sie eingeholt.
Nach einer Sekunde Erstarrung legte er den Pfeil auf die Sehne und hob den Bogen. Aber die johlenden Angreifer sausten so geschwind zwischen den Bäumen hin und her, dass sein Schuss das Ziel verfehlte und der Pfeil im Wald verschwand. Simon schoss einen zweiten ab und meinte zu erkennen, dass er das Bein eines der Gepanzerten traf. Jemand stieß einen Schmerzensschrei aus. Sludigbrüllte als Antwort und spornte sein weißes Ross. Gleichzeitig stülpte er den Helm über den Kopf. Zwei der Angreifer lösten sich aus der Meute und kamen auf ihn zu. Simon beobachtete, wie er sich duckte und dem Schwerthieb des ersten auswich, herumfuhr und dem Mann im Vorbeireiten die Klinge der Axt zwischen die Rippen trieb. Helles Blut spritzte aus dem Schnitt in der Rüstung. Als Sludig sich von dem ersten Mann abwandte, hätte ihn der zweite um ein Haar erwischt; ihm blieb gerade noch Zeit, den Hieb mit seinem zweiten Beil abzulenken, aber der krachende Schlag traf seinen Helm. Simon sah, wie der Rimmersmann schwankte und beinahe aus dem Sattel fiel, während sein Angreifer wieder kehrtmachte.
Bevor sie jedoch von neuem aufeinanderprallten, ertönte hinter Simon ein ohrenzerreißendes Kreischen. Er schoss herum und erblickte ein weiteres Pferd, das mit seinem Reiter auf ihn zugestolpert kam; Qantaqa hing mit den Zähnen am ungepanzerten Bein des Mannes und zerkratzte mit ihren Krallen die Flanke des schrill schreienden Pferdes. Simon riss das Schwert aus der Scheide. Aber als der Reiter wild auf die Wölfin einschlug, rannte sein Pferd gegen Simons Tier. Simon flog die Klinge aus der Hand. Gleich darauf besaß auch er weder Gewicht noch Halt mehr; einen Augenblick später schlug es die Luft aus ihm heraus wie mit einer Riesenfaust. Nur ein kurzes Stück von der Stelle entfernt, an der sein Pferd und der andere Gaul sich in ein panikerfülltes, wieherndes Knäuel verwandelt hatten, fand er sich im Schnee wieder, das Gesicht nach unten. Durch eine beißende Schneemaske bemerkte er, wie sich Qantaqa zwischen den beiden Pferden herauswand und davonhetzte. Der Mann, kreischend unter den Tieren begraben, konnte nicht entkommen.
Simon stand mühsam auf und spuckte eisigen Sand aus. Hastig griff er nach Bogen und Köcher, die dicht neben ihm lagen. Er hörte, wie sich der Kampflärm weiter den Berg hinaufzog, und lief den Geräuschen hinterher.
Jemand lachte.
Keine zwanzig Schritte hangabwärts saß auf reglosem, grauem Ross der Mann in der schwarzen
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