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Der Drachenbeinthron

Der Drachenbeinthron

Titel: Der Drachenbeinthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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das alles faszinierend. Er wusste nicht genau, ob er wirklich glauben konnte, dass Johan der Priester oder Elias sich je gefürchtet hatten, aber das Thema Pryrates allein war schon fesselnd genug.
    »Ist er denn verrückt, Doktor? Wie könnte das sein? Er ist ein Priester und einer der Ratgeber des Königs.« Aber Simon dachte an die Augen und das zahnige Lächeln und wusste, dass Morgenes recht hatte.
    »Ich will es anders formulieren.«
    Morgenes wickelte eine Locke seines schneeweißen Bartes um den Finger. »Ich habe dir von Fallen erzählt, von der Suche nach Wissen, die wie die Jagd nach einem scheuen Tier ist. Nun, während ich und andere Wissenssucher hinaus zu unseren Fallen gehen, um nachzusehen, was für ein buntes Geschöpf wir zu fangen das Glück gehabt haben, reißt Pryrates nachts seine Tür weit auf und wartet, was hereinkommt.« Morgenes nahm Simon die Schreibfederweg und hob dann den Ärmel seines Gewandes, um etwas von der Tinte abzutupfen, die Simons Wange zierte. »Das Problem bei Pryrates’ Methode ist«, fuhr er fort, »dass man das Tier, das der Einladung folgt, vielleicht gar nicht zu Gast haben möchte – und dass es dann schwer ist – sehr, sehr schwer –, die Tür wieder zuzumachen.«

    »Ha!«, knurrte Isgrimnur. »Getroffen, Mann, getroffen! Gebt es zu!« – »Nur der Hauch eines Flüsterns über meiner Weste«, erklärte Josua und hob mit geheucheltem Erstaunen eine Braue. »Ich sehe mit Bedauern, dass Euch die Gebrechlichkeit zu solchen Verzweiflungstaten treibt …« Mitten im Satz, ohne den Tonfall zu ändern, stieß er zu. Isgrimnur parierte klappernd die hölzerne Klinge mit dem eigenen Schwertgriff und lenkte den Stoß seitlich ab.
    »Gebrechlichkeit?«, zischte der Ältere durch gefletschte Zähne. »Ich werde Euch eine Gebrechlichkeit verpassen, dass Ihr heulend zu Eurer Amme zurückrennt!«
    Trotz seiner Jahre und seines Umfangs immer noch flink, drängte der Herzog von Elvritshalla vorwärts. Er schwang das Holzschwert in großen Bögen, wobei ihm sein beidhändiger Griff gute Dienste leistete. Josua sprang zurück und parierte. Die Spitzen seines schweißfeuchten Haares hingen ihm in die Stirn. Endlich erspähte er eine Öffnung. Als Isgrimnur das Übungsschwert erneut in pfeifendem Schwung auf ihn zusausen ließ, duckte sich der Prinz, leitete mit Hilfe der eigenen Klinge den Hieb des Herzogs von seinem Kopf ab, hakte dann einen Fuß hinter Isgrimnurs Absatz und zog. Der Herzog krachte rückwärts zu Boden wie ein gefällter Baum. Gleich darauf ließ sich auch Josua neben ihn ins Gras sinken; mit seiner einen Hand nestelte er geschickt die dicke, gepolsterte Weste auf und rollte sich auf den Rücken.
    Isgrimnur, prustend wie ein Blasebalg, sagte einige lange Augenblicke gar nichts. Er hatte die Augen geschlossen; Schweißperlen in seinem Bart glänzten im grellen Sonnenlicht. Josua beugte sich über ihn und starrte ihn an. Dann machte er ein besorgtes Gesicht und griff nach Isgrimnurs Weste, um sie zu öffnen. Als er die Fingerunter den Knoten schob, schoss die große, rosige Hand des Herzogs nach oben und versetzte ihm einen Schläfenhieb, der ihn wieder auf den Rücken schleuderte.
    »Ha!«, schnaufte Isgrimnur. »Das wird Euch lehren … junger Welpe!«
    Wieder eine Weile Schweigen. Keuchend lagen die beiden Männer da und starrten in den wolkenlosen Himmel hinauf.
    »Ihr betrügt, Kleiner«, bemerkte Isgrimnur endlich und setzte sich auf. »Wenn es Euch das nächste Mal hier auf den Hochhorst verschlägt, werde ich mich rächen. Außerdem – wenn es nicht so götterverflucht heiß und ich nicht so verdammt fett wäre, hätte ich Euch schon vor einer Stunde die Rippen eingeschlagen.«
    Josua richtete sich ebenfalls auf und beschattete mit der Hand seine Augen. Über das gelbe Gras des Turnierplatzes näherten sich zwei Gestalten. Die eine war in ein langes Gewand gehüllt.
    »Es ist wirklich heiß«, bemerkte Josua.
    »Und das im Novander!«, ächzte Isgrimnur und zog die Fechtweste aus. »Die Tage des Hundes liegen längst hinter uns, und immer noch diese Hitze! Wo bleibt der Regen?«
    »Vielleicht hat man ihn verscheucht.« Josua blickte mit zusammengekniffenen Augen in Richtung der beiden sich nähernden Gestalten.
    »Ho, kleiner Bruder!«, rief eine von ihnen. »Und der alte Onkel Isgrimnur! Sieht aus, als wärt ihr beide vom Spielen erschöpft!«
    »Josua und die Hitze haben mich um ein verdammtes Haar umgebracht, Majestät«, rief Isgrimnur dem König zu,

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