Der Drachenflüsterer - Der Drachenflüsterer
furchtbarer
Kraft, und Ben strauchelte Ruck für Ruck auf das gierig geöffnete Maul zu.
»Aiphyron!« Mit einem verzweifelten Aufschrei stieß er den Dolch in die Zunge. Bis zum Heft drang er hinein, dann lockerte sich der Griff der Zunge, sie schnellte zurück und riss ihm die Klinge aus der Hand. Mit einem letzten Schnalzen versetzte sie Ben in eine Drehbewegung wie die Schnur einen Kinderkreisel, sein Arm wurde dagegen ein Stück mit dem Dolch mitgezogen, bevor sich die Finger lösten, und so verlor er nicht nur die Waffe, sondern auch das Gleichgewicht. Während der Frosch ein durchdringendes schrilles Kreischen ertönen ließ, stürzte Ben auf die verdrehten Knie, die linke Schulter und das Ohr. Das Kreischen wurde lauter, als die Zunge mit der offenen Klinge im Maul des Froschs verschwand. Es hallte von den Wänden wider und betäubte Bens Ohren; aus dem Donnern des Wasserfalls wurde ein gedämpftes Rauschen. Ben drückte sich mit den Armen nach oben, ein Stechen durchfuhr sein rechtes Knie, so dass er wieder einknickte. Nein, das durfte nicht sein!
Hoch, er musste hoch!
Mühsam stemmte er sich auf die Knie, hinter dem Frosch tauchte ein zweiter Schatten auf. Nein, nicht noch einer, dachte Ben verzweifelt. Er wollte nicht sterben! Er musste es bis zum Wasser schaffen, hinaustauchen ins Licht, zu Aiphyron.
»Aiphyron!« Noch immer dröhnten ihm die Ohren, seine Stimme erschien ihm schrecklich dünn und hilflos.
Dem Frosch hing die Zunge seitlich aus dem Maul, seine Augen bohrten sich tief in Bens, und trotz des dämmrigen Lichts sah er sie vor Schmerz und Wut brennen. Keuchend drückte er sich von den Knien hoch und lauerte auf den nächsten Angriff der Zunge, doch diesmal sprang der ganze Frosch
auf ihn zu. Noch hatte sich Ben nicht ganz aufgerichtet, aus der Hocke konnte er nicht forthechten. Der massige Körper flog auf ihn zu, würde ihn zerquetschen. Instinktiv warf Ben die Arme hoch, doch wie sollten die ihn schützen?
Da fegte der zweite Schatten heran und stieß den Frosch aus seiner Flugbahn.
»Aiphyron!«
Der Drache hatte sich in den Frosch gekrallt und wälzte sich mit ihm über den Boden. Sein Schwanz peitschte hin und her, das Maul stieß immer wieder vor und schnappte zu. Anders als bei all den angeblichen Feuertieren schlug Aiphyron richtig zu, und Ben sah, wie ungeheuer viel Kraft in dem Drachen steckte. Tief gruben sich die Krallen und Zähne ins Fleisch seines Gegners. Tief und blitzschnell. Nur kurz zappelte der gigantische Frosch mit seinen kräftigen Beinen und peitschte vergeblich mit der Zunge, doch bevor er recht wusste, wie ihm geschah, war er besiegt. Schnaubend stieg Aiphyron von dem toten Untier.
Ben hatte sich nicht bewegt, er stand einfach da und zitterte.
»Alles in Ordnung?«, fragte Aiphyron und sah ihn an.
»Ja«, murmelte Ben und ließ alle Luft aus seiner Lunge weichen. Er hatte überhaupt nicht gemerkt, dass er den Atem angehalten hatte. »Aber was war das?«
»Ein Riesenfrosch?«
Und dann schrie Ben plötzlich los. »Ein Riesenfrosch! Genau! Und ich dachte, du machst Witze! Warum lässt du mich hier allein reinlaufen, wenn du weißt, dass das da hier lauert! Das da! Ich könnte tot sein!«
»Ja aber...«
»Was aber?«, schrie Ben weiter, der keine Lust hatte, Aiphyron
ausreden zu lassen. »Ein verdreckter Riesenfrosch! Woher hätte ich denn wissen sollen, dass du das ernst meinst? Sag mir das mal! Und sag jetzt nicht: Hab ich mal wo gehört, die Geschichte!«
»Aber genau so war’s! Ich hab die Geschichte vor ewigen Zeiten mal gehört. Woher sollte ich denn noch wissen, dass es genau dieser Wasserfall hier war? Das war ein blöder Zufall!«
»Zufall? So einen Zufall gibt’s doch gar nicht, das ist doch Unsinn! Das ist bescheuert!« Ben rannte auf den Drachen zu und schlug mit der Faust in seine Seite. »Ich hätte tot sein können!«
»Aber du bist es doch nicht«, versuchte der Drache ihn zu beruhigen und legte seine Klaue ganz sanft auf Bens Schulter.
Ben ging in die Knie und begann zu weinen. »Ich hätte tot sein können...«
Aiphyron schwieg und wartete.
Nach einer Weile stieß Ben die Klaue von sich und stapf te zu dem Frosch hinüber. Er nahm seinen Dolch an sich und trat dem toten Vieh den Fuß in die Seite. »Verfluchter Kinderfresser!«
Noch einmal trat er zu und noch einmal. Dann wischte er sich den Rotz von der Nase und sagte: »Danke.«
Ganz langsam beruhigte er sich wieder, und ihn packte die Freude, überlebt zu haben. Er beschimpfte
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