Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Drachenflüsterer - Der Drachenflüsterer

Titel: Der Drachenflüsterer - Der Drachenflüsterer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren:
Vom Netzwerk:
aufschnappen konnte. Sie roch nach Wein und einer betörend schweren Süße, die Ben nicht zuordnen konnte. Der Duft erinnerte ihn an eine große, weiß blühende, fleischfressende Pflanze, doch wahrscheinlich war es nur irgendein Parfum. »Und das nicht nur zum Drachenjagen. Sollte der Orden dort neue Kontakte aufbauen oder alte wieder aufleben lassen, will Dicime der Erste sein, der die entsprechenden Geschäftsverbindungen knüpft. In Drakenthal
hat er eine kleine Niederlassung, doch nicht in Graukuppe oder Trollfurt. Du kommst aus dem Norden, er hat sicher Interesse an deinem Wissen über die ganze Gegend. Aber erwähne bloß nicht, dass ich dir davon erzählt habe, wenn wir ihm über den Weg laufen.«
    »Ich sage keinen Ton«, flüsterte er, und seine Lippen berührten dabei ganz sachte ihr Ohrläppchen. Er war nicht in sie verliebt, das wusste er, doch trotzdem hätte er sie jetzt gern geküsst. Sicherlich lag das am Wein.
    Die beiden Torwächter vor Dicimes Palast musterten Ben misstrauisch, nickten Anula zu und ließen beide passieren, ohne Fragen zu stellen. Anula führte Ben durch die sorgsam gepflegte Gartenanlage, die so groß war, dass man sie eigentlich einen Park nennen konnte. Vorbei an sauber zurechtgestutzten Büschen, neugierig grüßenden Bediensteten und dem bunten, verschnörkelten Palast gingen sie in den hinteren, verlassenen Bereich. Dort erreichten sie schließlich einen großen, neu errichteten Stall mit vergoldeten Gitterstäben im Fenster der schweren, beschlagenen Tür. Die Rückseite des Stalls war nicht gemauert, sie bestand gänzlich aus einem durchgehenden, ebenfalls vergoldeten Gitter und ließ viel Sonnenlicht hinein. Direkt am rückwärtigen Gitter lag Schilfrücken und schien zu dösen.
    »Darf ich hinüber und ihn am Schulterknubbel reiben?«, fragte Ben.
    »Was willst du?«
    »Die Schulterknubbel reiben. Was sonst? Das bringt doch Glück.«
    »Ehrlich?«
    »Wenn ich’s doch sage.«
    »Dann will ich auch«, kicherte Anula in plötzlichem Übermut,
packte Ben an der Hand und lief mit ihm um das Gebäude herum.
    Der Drache öffnete gemächlich ein Auge, als sie sich dem Gitter näherten. Auch wenn er deutlich kleiner als Aiphyron war, so war er dennoch ein beeindruckendes Wesen. Er erinnerte Ben an Feuerschuppe, er strahlte dieselbe Ruhe aus. Beiden fehlte die überbrodelnde, wilde Lebendigkeit Aiphyrons. Ihnen fehlten die Flügel, sie konnten nicht fliegen.
    Als Ben die Schulterknubbel entdeckte, verspürte er Mitleid mit Schilfrücken. Die wulstigen Narben waren noch ganz frisch, der Schorf sicher noch nicht lange abgeblättert. Lautlos versprach er dem Drachen noch einmal, dass er irgendwann wieder fliegen würde, und kniete sich ans Gitter.
    »Hast du keine Angst?« Anula sah ihn bewundernd an.
    »Nein. Was soll er mir denn tun? Er ist doch befreit«, antwortete Ben und versuchte, seine Stimme nicht verbittert klingen zu lassen.
    »Aber er ist so groß. Und die drei Tage des Halsbandes sind noch nicht um.« Vorsichtig ging sie neben Ben in die Hocke. Die Edelsteine von Schilfrückens Halsband schimmerten in der Sonne.
    »Du wirst uns doch nichts tun, Schilfrücken, nicht wahr?«, flüsterte Ben, schob die Hand durch das Gitter und legte sie auf den Flügelansatz. Sofort spürte er das vertraute Pulsieren und Kribbeln. Schilfrückens offenes Auge musterte ihn überrascht, und dabei begann der Drache, zufrieden zu brummen.
    »Das ist unglaublich«, murmelte Anula.
    »Gib mir deine Hand«, sagte Ben.
    Sie tat es stumm, und er setzte sie auf den Schulterknubbel und legte seine Hand darüber, so dass seine Finger zwischen ihren auf dem Drachen zu liegen kamen. Das Pulsieren
war nur unwesentlich schwächer als zuvor, ohne ihre Hand. »Spürst du das?«
    »Ja«, hauchte sie. Sie zitterte, und Ben verstand, dass sie wirklich Angst vor dem Drachen hatte. Eine Angst, die sie sich auf keinen Fall anmerken lassen wollte. »Ist dieses Pochen das Glück?«
    »So habe ich es gehört.«
    »Das ist schön.« Sie bewegte ihre Finger ganz leicht hin und her und streichelte so den Schulterknubbel und auch Bens Finger. Schilfrückens Brummen wurde zu einem tiefen Schnurren, und er wälzte sich auf die Seite, so dass nun beide Flügelansätze direkt am Gitter lagen, gut erreichbar für Ben. Jedoch reagierte Anula schneller und berührte den neuen Knubbel zuerst. Ben sah ihr lächelnd zu, für einen Moment hatte sie ihre Angst überwunden.
    »Ich spüre nichts«, sagte sie enttäuscht. Doch bevor

Weitere Kostenlose Bücher