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Der Drachenflüsterer - Der Drachenflüsterer

Titel: Der Drachenflüsterer - Der Drachenflüsterer Kostenlos Bücher Online Lesen
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uns. Kannst du mir erklären, was sie so Schreckliches tun?«
    »Ihr habt keine Ketzer? Wirklich? Ich dachte, die sind überall. So heißt es zumindest.«
    »Vielleicht ist unser Dorf einfach zu klein.«
    »Ja, vielleicht.« Sie lächelte, ohne dass Ben dies verstand. Möglicherweise hatte sie schon so lange nicht mehr gelächelt, dass sie jetzt, da sie einmal damit angefangen hatte, einfach nicht mehr aufhören konnte. Als hätte sie das Lächeln aufgestaut und angesammelt wie andere Leute Wut.
    »Es ist so«, erklärte sie, »dass sich die Ketzer vor zwei oder drei Generationen vom Orden der Drachenritter abgespalten haben und sich nun Orden der Freiritter nennen. Sie folgen dem Irrglauben, dass Drachen ganz und gar Samoths Geschöpfe sind, dass der Herr der lichtlosen Orte nicht nur ihre Flügel geschaffen hat. Dabei ist ihm dies in Wahrheit ja nur gelungen, weil er der Mondgöttin ihr Wissen um die Vögel stahl. Und die Ketzer behaupten nun, dass der trickreiche Dieb Samoth über die Fähigkeiten eines Schöpfers verfügt, und heben ihn damit in Hellwahs Höhen. Was für eine Frechheit! Zudem bestreiten sie mit ihrem Unglauben, dass Drachen Hellwahs Geschöpfe sind und von einem Fluch befreit werden müssen. Sie halten Drachen für im Kern böse Kreaturen, die von ihnen, den Freirittern, bezwungen werden müssen.«
    »Also töten sie Drachen?«, warf Ben ein. Die Hoffnung, dass er und Aiphyron bei diesen Ketzern Hilfe finden würden, war dahin.

    »Natürlich nicht! Sie streben nach Herrschaft und wollen sich dafür der Macht und Kraft der Drachen bedienen. Sie unterwerfen Drachen.«
    »Und wie gelingt ihnen das?«
    »Sie hacken ihnen die Flügel ab.«
    »Aber...« Ben schwirrte der Kopf. Er musste aufpassen, dass er sich jetzt nicht durch eine unbedachte Äußerung verriet, musste so denken wie ein guter Gläubiger und seine Frage unauffällig formulieren, um seine und Aiphyrons Pläne nicht zu verraten. »Ich weiß nicht, das klingt vielleicht naiv von mir, aber wenn sie ihnen die Flügel abhacken, befreien sie die Drachen dann nicht ebenso, wie es die Ordensritter tun?«
    »Das ist aber nur Zufall!«, fuhr Anula auf. »Sie befreien sie, obwohl sie es bestreiten. Und dann nutzen sie die freundliche Sanftmut von Hellwahs Geschöpfen, um sie zu unterwerfen!«
    »Hinterlistige Sumpfhornschlangen!«, schauspielerte Ben Empörung. Wenn er noch mehr erfahren wollte, musste er lautstark auf ihrer Seite sein. Noch hatte er nicht verstanden, wo der Unterschied zwischen Ordensrittern und Ketzern sein sollte; vielleicht war er für solche Erkenntnisse zu selten in der Tempelschule gewesen. Die einen Ritter wollten Drachen befreien, die anderen wollten sie unterwerfen, und beide schlugen ihnen deswegen die Flügel ab. Wie sie es auch begründeten, beide taten dasselbe, und letztlich kam es doch immer auf die Taten an. Trotzdem hassten sie sich so sehr, dass die einen die anderen aufknüpften. Oder hatte der verurteilte Ketzer doch noch etwas anderes verbrochen? Er fragte Anula danach.
    »Was anderes verbrochen? Ich glaube nicht, davon war nie die Rede. Ist ja auch nicht so wichtig, auf Ketzerei allein steht schon die Todesstrafe.«

    Gern hätte er sie gefragt, ob sie das für richtig hielt und weshalb sie gestern bei der Hinrichtung weggesehen hatte, doch er traute sich nicht. Er wollte nicht den Eindruck erwecken, als unterstelle er ihr Sympathien für das Drachenketzertum. Das würde sie ihm sicher krummnehmen.
    In diesem Moment wurde ihr Essen auf großen Tellern in Blütenform gebracht, und sie redeten über Belanglosigkeiten, während sie aßen. Der Fisch hatte zartes, rosa-grünliches Fleisch und schmeckte vorzüglich. Der honigfarbene Wein stieg Ben rasch in den Kopf. Also trank er langsam. Schließlich fragte er Anula, ob es möglich wäre, den Drachen ihres Herrn noch einmal zu sehen. Vielleicht sogar aus nächster Nähe?
    »Das kriegen wir schon hin.« Sie hatte rasch einen zweiten Krug Wein bestellt, auch diesen inzwischen geleert und zwinkerte Ben nun spitzbübisch zu.
    Er zahlte, und sie schlenderten zusammen durch die belebten Straßen zum Palast des Kaufmanns und Drachenreiters Dicime. So schlimm kam Ben der Gestank in Falcenzca heute schon nicht mehr vor, und auch die allgemeine Hektik und Eile nicht.
    »Herr Dicime hat gehört, dass der Drachenorden einen berühmten Ritter nach Norden geschickt hat«, raunte Anula ihm unterwegs zu. Dabei beugte sie sich ganz nah an sein Ohr, damit niemand sonst ihre Worte

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