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Der Drachenflüsterer - Der Schwur der Geächteten

Titel: Der Drachenflüsterer - Der Schwur der Geächteten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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darüber. Vielleicht empfand sie gar nichts mehr für ihren toten Vater und ihre gehorsame Mutter, die ihren Mann von nichts abgehalten hatte. Vielleicht verwandelte sich allzu großer Hass irgendwann in innere Leere. Obwohl die Mutter noch in Trollfurt lebte, schien sie für Nica gestorben – mit keinem Wort hatte sie sie seitdem erwähnt. Als könne sie sie durch Schweigen aus ihrem Leben brennen.
    »Dann müssen wir es aber richtig machen«, verlangte Ben. »Dann beschließen wir es nicht einfach nur, dann leisten wir einen Schwur, dass wir fortan Drachen befreien wollen. Bis wir den Orden überzeugt haben, dass in den Flügeln kein Fluch steckt.«

    »Aber lasst uns erst am Mittag schwören, wenn die Sonne am höchsten steht. Einem solchen Schwur gibt Hellwah seinen Segen«, sagte Yanko. »Und eine tote Ratte wäre auch nicht schlecht.«
    »Eine tote Ratte ist immer gut«, bestätigte Ben. »Aber Hellwahs Segen werden wir wohl nicht bekommen. Weder morgens noch mittags noch nachts. Unser Schwur richtet sich gegen seinen Orden. Warum soll er uns da helfen?«
    »Weil seine Priester lügen«, murmelte Nica, die von einem Ketzer erzogen worden war. Noch immer war ihr Gesicht wie versteinert, doch ihre Stimme klang dünn und leise, als wollte sie nicht gehört werden. Unruhig schielte sie kurz in den blauen Himmel.
    Yanko schwieg, ihm war sichtlich nicht wohl bei dem Gedanken, einen Gott herauszufordern.
    »Schwört ihr mit uns?«, fragte er nach einer Weile die Drachen, als würde er sich dann wohler fühlen, doch sie verneinten. Selbstverständlich würden sie bei allem helfen, so gut sie konnten, doch Drachen schworen nicht, niemals. Dann tapsten sie einmal quer über den Burghof und legten sich mit einem gemütlichen Brummen dort nieder, wo die ersten Strahlen der Sonne bereits den Boden erreichten.
    »Und jetzt?«
    »Jetzt suchen wir eine tote Ratte, und dann schwören wir im dunkelsten Schatten, den wir finden können«, sagte Nica. »Dort, wo Hellwahs Antlitz am Himmel nicht zu sehen ist.«
     
    Als sie nach einer langen Stunde noch immer keine tote Ratte im Wald gefunden hatten, fluchte Yanko, denn sonst waren die Viecher doch überall. Nur jetzt, wenn man sie ein einziges Mal wirklich brauchte, gab es keine Spur von ihnen.
Sie beschlossen, dass es auch ohne Ratten gehen musste. Das eigene Blut war in solchen Fällen sowieso viel mächtiger als ein totes Tier.
    Sie setzten sich im Kreis an die der Sonne abgewandte Westmauer der Ruine, fern aller Fenster und Schießscharten, dorthin, wo zwei alte Regenweiden mit ihren blattreichen Ästen, die wie ein Vorhang von der Krone herabfielen, einen tiefen Schatten warfen. Mehr Schutz vor Hellwahs Blick gab es tagsüber nur in einem Gebäude oder unter der Erde, und das waren keine passenden Orte für einen Schwur. Unter der Erde war Samoths Reich.
    »Was wollen wir schwören?«, fragte Yanko feierlich. Er hatte die Beine untergeschlagen, hielt den Oberkörper jedoch stolz aufrecht.
    »Na, dass wir alle flügellosen Drachen befreien, wie ausgemacht«, antwortete Nica. Es klang zugleich pampig und unsicher, als hätte sie nicht viel Erfahrung mit Schwüren.
    Mädchen, dachte Ben, von manchen Dingen haben sie einfach keine Ahnung. Man sollte nicht unbedarft schwören, nichts, das man nicht halten konnte. »So etwas können wir nicht einfach schwören, das bindet uns bis an unser Lebensende.«
    »Oder darüber hinaus«, ergänzte Yanko. »Wenn der Schwur stark ist und bis zum Tod nicht erfüllt wird, dann findet man keine Ruhe. Dann müssten wir auch als Geister noch nach flügellosen Drachen suchen. Und wenn Bens Gabe dann nicht mehr wirkt, wenn seine Hände den Schulterknubbeln kein Leben schenken können, weil durch sie selbst keines mehr fließt, dann streunen wir bis in alle Ewigkeit durch die Welt, tot und ruhelos auf der sinnlosen Suche nach flügellosen Drachen. Ich will das nicht.«
    Nica starrte ihn misstrauisch an, als überlege sie, ob er
scherze. Doch mit Schwüren trieb man keinen Spaß. Langsam nickte sie. »Ich auch nicht.«
    »Wir sollten uns stattdessen lieber einen einzigen, aber bedeutenden Drachen vornehmen und ihn befreien«, schlug Yanko vor. »Den Drachen des Königs am besten. Das wäre eine echte Heldentat. Und ein deutliches Zeichen.«
    »Du meinst wohl eher die Drachen des Königs. Der besitzt doch mehr als einen Drachen, der hat bestimmt ein Dutzend in den Stallungen seiner Burg. Und auf jedem Landsitz noch mindestens drei weitere«, gab Ben

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