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Der Drachenflüsterer - Der Schwur der Geächteten

Titel: Der Drachenflüsterer - Der Schwur der Geächteten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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den Wunsch, den Schlüssel aufzutreiben und dem Abt wehzutun, dem Mann, der Anula das angetan hatte.
    Die Treppe führte hinaus in einen engen fünfseitigen Innenhof, den ein schmaler Durchgang mit dem nächsten Hof verband. Ben warf einen Blick hinaus, konnte jedoch niemanden sehen. Verlassen lag der Hof im schwachen Licht von Sternen und Mond. Die Schemen auf den Zinnen blickten in die andere Richtung. Schnell versuchte er, sich zu orientieren, erkannte den Zwillingsturm im nächsten Hof und zog den Kopf wieder zurück. Zu viele Gebäude reihten sich aneinander, um sich mit letzter Sicherheit zurechtzufinden, zu viele Winkel und Ecken, Mauervorsprünge und Erker machten die ganze Anlage unübersichtlich.
    »Hast du den Rundturm gesehen?«, raunte Yanko.
    »Nein. Aber ich weiß, wo er ungefähr liegen muss.«

    »Meinst du nicht, dass auch die anderen Ställe dort in der Nähe sind?«
    Ben zuckte mit den Schultern. Das musste nicht sein, aber es schien mindestens so erfolgversprechend, wie einfach blind loszulaufen. Leise huschten sie hinaus.
    So gut es ging, hielten sie sich in den Schatten der Gebäude, tauchten unter einem erleuchteten Fenster hinweg, aus dem leises Gemurmel und Essensduft drangen. An einer rissigen Holztür, die in einen Turm führte, eilten sie vorbei, wie auch an der verriegelten doppelflügligen Luke im Boden, die vermutlich in den Weinkeller führte. Gepresst atmend erreichten sie schließlich einen weitläufigen Hof, an dessen linker Seite schräg gegenüber eine breite Treppe in das mächtige Hauptgebäude des Klosters führte. Für den Rundturm mussten sie sich hier jedoch rechts halten, hinunter zur Außenmauer. Am Rand des Hofs befand sich ein dreißig Schritt langes Becken, dessen Sinn sich Ben nicht sofort erschloss.
    »Eine Drachentränke«, murmelte Nica und deutete dann auf ein langgezogenes, breites Gebäude dahinter. Der Stall!
    Und jetzt hörte auch Ben das tiefe schwere Schnauben und nahm den typischen erdig strengen und zugleich süßlichen Geruch wahr, der in der Luft hing. Sie schlichen hinüber, zogen den stählernen Riegel an der Tür zurück und schlüpften hinein. Nur spärlich drang Licht durch die Fenster der Boxen, von denen sich eine an die andere reihte. Überall war regelmäßiges Atmen zu hören, dort ein tiefer Seufzer, und irgendwo kratzten Krallen über Stein. Doch keines der Geräusche deutete auf die Anwesenheit eines Menschen hin.
    »Wie wollen wir den Richtigen finden?«, fragte Nica. »Wir kennen seine Schuppenfarbe nicht.«
    »Achte auf die Türen«, sagte Ben und deutete auf eine verzierte
Bronzeplakette an der ersten Box, auf dem Donner-klaue stand.
    »Wie willst du ihn an der Tür erkennen?«
    »Da er erst seit kurzem hier ist, hat er wahrscheinlich noch kein Namensschild. Möglicherweise ist er in der neuen Umgebung auch unruhig und tippelt hin und her.«
    Also liefen sie die Stallgasse entlang, musterten die Türen zu beiden Seiten und lasen Namensschilder wie Sonnensturm, Laubschuppe und Schimmerschnauze. Dabei linsten sie auch zu den flügellosen Drachen hinein, die meist vor sich hindösten, nur einer kaute gelangweilt auf einem großen blanken Knochen herum. Es gab Drachen in den verschiedensten Farben, schlanke und solche mit breitem Rücken, stachelbewehrte und glattschuppige, doch bei allen Unterschieden war keiner kleiner als sechs Schritt in der Länge, die meisten maßen sogar um die zehn oder zwölf. Insgesamt dreizehn Drachen zählte Ben, und an elf Türen hing tatsächlich ein Namensschild, an dem Haken einer der beiden anderen eine alte abgeschabte Satteltasche.
    »Der da«, raunte Nica und deutete auf die blanke Tür ohne Tasche.
    Ben nickte und trat an das Gitter. Dahinter kauerte ein langer, schlanker, moorschwarzer Drache, der sich beinahe wie eine Schlange zusammengeringelt hatte. Die Schwanzspitze zuckte unruhig hin und her, die tiefen Augen starrten Ben misstrauisch an.
    »Ganz ruhig, alter Junge«, brummte Ben und schob langsam die Verriegelung zurück, ohne den Drachen aus den Augen zu lassen. »Ich bin hier, um dir zu helfen.«
    Der Drache ließ ein leises Knurren hören und entblößte die Zähne.

    »Ruhig, ganz ruhig.«
    »Willst du da wirklich rein?«, fragte Nica bang.
    »Das muss er«, antwortete Yanko, doch auch er klang angespannt.
    Ben achtete nicht auf sie und hielt weiterhin nur den Drachen im Auge. Bedächtig zog er die schwere Tür auf und betrat mit vorgestreckten leeren Handflächen die Box. Das Knurren hielt

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