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Der Drachenflüsterer - Der Schwur der Geächteten

Titel: Der Drachenflüsterer - Der Schwur der Geächteten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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sagte er sich immer wieder. Zu dritt würden sie nur auffallen. Dennoch wäre er lieber nicht allein gewesen.
    Er ließ die Landschaft unter sich dahinziehen und sprach mit Aiphyron über dieses und jenes, fragte ihn über Kaedymia aus, ob er noch andere Freunde unter den Drachen habe und wie oft er diese traf. Aiphyron konnte das nicht genau beantworten – es käme eben immer darauf an, wie oft sie sich zufällig über den Weg flogen, so ein Treffen plane man doch nicht. Immer wieder wiederholte Ben, was für ein Glück sie gehabt hatten, diesen außergewöhnlichen Schlüssel zu fmden. »Der kann echt hilfreich sein.«

    »Natürlich, aber welchen deiner unzähligen Paläste willst du damit denn verschließen?«, fragte Aiphyron. »Du besitzt nicht einmal eine Hütte und bist auf der Flucht, falls du das noch nicht gemerkt hast.«
    »Mit dem Schlüssel müssen wir irgendwann nicht mehr fliehen. Eines Tages gibt er uns irgendwo den nötigen Schutz vor dem Orden.« Ben hoffte, dass es noch vor dem Winter geschehen würde. In der Kälte wollte er nicht mehr auf der Straße sein, auch nicht in der Luft.
    »Ich bin lieber frei als an eine belagerte Hütte gefesselt«, brummte der Drache.
    »Du frierst dir ja auch nicht den Hintern ab, wenn Schnee fällt.«
    »Es gibt Länder, da fällt kein Schnee. Länder, die nicht vom Orden der Drachenritter beherrscht werden.«
    Ben lächelte bei dieser Vorstellung. Nicht frieren und nicht gejagt werden. Doch bevor er von einer solchen Zukunft träumen konnte, musste er erst den Schwur erfüllen – dann konnte er mit Aiphyron irgendwo in der Sonne liegen. Vielleicht sogar am Meer und mit Yanko, Juri, Feuerschuppe und Nica.
    Und Anula.
    Auch wenn sie ihn zurückgewiesen hatte, plötzlich war sie wieder in seinem Kopf, und seine Gedanken verweilten am längsten bei ihr. Er stellte sich vor, wie es wäre, von ihr geküsst zu werden, und als sich nach langer, langer Zeit seine Lippen von ihren lösten, hatte er Nicas Gesicht vor Augen.
    Wieso verrichteten in den Liedern die Helden ihre Taten immer für eine einzige wunderschöne Frau? Wieso wussten sie so genau, für wen sie was empfanden? Stets gab es
nur eine einzige Frau, die die Richtige war; in den kniffligsten Geschichten höchstens noch eine verführerische Nachtfee oder sinnenverwirrende Nymphe, die jedoch rasch als ebenso böse wie schön entlarvt wurden, abgewiesen oder als Geschöpf Samoths geköpft. Jedem war klar, welches Herz es zu gewinnen galt, es ging nur darum, es zu schaffen. Warum war keiner dieser Helden je gleichzeitig auf eine Anula und eine Nica getroffen? Ben war sicher, dass keine von beiden eine böse Nachtfee war.
    Sobald er den Drachen befreit hatte, würde er seine Träume zu Rate ziehen. Den Seherpilzen traute er nicht, er zweifelte, ob sie wirklich die Wahrheit verkündeten. Er würde sich eine Traumweide suchen und in ihrem Wurzelwerk Schlaf. Von welchem Mädchen er dann träumte, wäre die Richtige. Er hoffte, es wäre Anula.
    Dämlicher Warzenkopf, beschimpfte er sich selbst. Wenn du das schon hoffst, dann lass die Träumerei doch sein, flieg einfach nach Falcenzca und frag sie noch mal, ob sie mit dir kommen will. Dann ist sie die Richtige. Sie hat dich beim letzten Mal nicht für tausend Gulden verraten, sie wird es auch ein weiteres Mal nicht tun. Sag ihr klar und deutlich, was du empfindest, fall auf die Knie und stotter nicht herum wie beim letzten Mal. Oder entführ sie zur Not. Besonders schöne Frauen wurden in alten Liedern doch oftmals und gern geraubt und entdeckten erst danach ihre Gefühle für den Helden. Ben stellte sich vor, wie er Anula am Arm packte und ihr mitteilte, er würde sie jetzt rauben. Und wie sie ihn mit hochgezogener Augenbraue ansah und Nein sagte.
    Doch.
    Nein.
    Doch.

    Nein.
    Doch.
    So ging es in seinem Kopf hin und her, und er fluchte darüber, dass sie ihm sogar in seinen Träumen widersprach. Sein Herz schlug dennoch schneller, und plötzlich war es ebenso wichtig, nach Falcenzca zurückzukehren, zu ihr, wie diesen Drachen zu befreien. Doch erst der Schwur, schließlich war der Drache gefangen, während Anula frei war und sicher noch ein paar Tage warten konnte.
    »Verfluchtes Feuer«, knurrte Aiphyron in diesem Moment.
    Ben blickte auf und entdeckte am Horizont eine aufsteigende Rauchsäule. Kurz darauf flogen sie direkt über den Brandherd hinweg. Aus der Höhe und mit all dem dunklen Qualm war es schwer zu erkennen, doch schien es, als brannten dort zwei schon

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