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Der Drachenthron: Roman (German Edition)

Der Drachenthron: Roman (German Edition)

Titel: Der Drachenthron: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Deas
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kreischte, dass sie schon bald heiser war.
    Die Luft wurde kälter. Schließlich landete der Drache in einem Schneefeld und überschlug sich mehrmals in einer weißen Wolke aus Eiskristallen, während Kemir zum hundertsten Mal in dieser Nacht glaubte, sterben zu müssen. Das Tier brachte sie zum Rand einer schmalen Schlucht, sprang hinein und schwebte in die undurchdringliche Dunkelheit. Als sie die Talsohle erreichten, ließ der Drache sie los und schlief beinahe augenblicklich ein. Kemir schmiegte sich an das warme Tier und war ebenfalls im nächsten Moment eingeschlafen, vollkommen erschöpft und entkräftet.
    Als er erwachte, wusste er, dass etwas nicht in Ordnung war. Der Atem des Drachen kam stoßweise, und der Knappe saß neben seiner Schnauze und streichelte sie liebevoll. Aus der Nähe und bei Tageslicht betrachtet, schien der Drache sogar noch größer zu sein als in der Nacht zuvor. Sein riesiger Kopf ließ den Knappen winzig erscheinen. Seine bernsteinfarbenen Augen waren größer als Kemirs gespreizte Hand. Seine Zähne …
    Er wollte nicht an die Zähne denken. Stattdessen blickte er nach oben. Die Schlucht war steil und eng – so eng, dass er sich kaum vorstellen konnte, wie es dem Drachen überhaupt gelungen war, hier herunterzufliegen. Kemir war sich nicht sicher, ob sie jemals wieder hinauskämen, und er hatte Hunger. Und wäre da nicht der Drache, würde ihnen schon sehr bald sehr kalt werden. Der Knappe besaß keine warmen Flugpelze, und die Frau hatte allem Anschein nach gar nichts bei sich.
    »Du kommst mir irgendwie bekannt vor«, sagte er zum Knappen. »Wie heißt du?«
    »Kailin.« Der Knappe blickte nicht auf.
    »Und sie?«
    »Ihr Name ist Nadira.«
    »Was ist los mit ihr?« Wenn sie nicht schrie, starrte sie ausdruckslos ins Leere. Sie schwitzte und zitterte.
    Der Knappe gab keine Antwort.
    »Wer ist sie?« Der Knappe schwieg wiederum. Kemir zuckte mit den Schultern. »Und was ist mit dem Drachen?«
    »Ihr Name ist Schneeflocke. Sie ist verwundet.«
    »Ist es schlimm?«
    »Keine Ahnung. Sie muss sich verletzt haben, als sie mit Sturmböe in den Fluss gestürzt ist. Wenn ich mich nicht täusche, hat sie Sturmböe den Flügel gebrochen.« Kailin schüttelte traurig den Kopf und sah Schneeflocke nervös an. »Wenn das stimmt, werden sie das arme Tier wohl einschläfern müssen.«
    »Armes Tier?« Kemir kratzte sich am Kopf. »Wie soll das überhaupt möglich sein, einen Drachen einzuschläfern?«
    Der Knappe warf ihm einen warnenden Blick zu. »Pass auf, was du sagst. Sie schläft, aber du hast doch gesehen, was im Fluss passiert ist. Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich habe gehört, dass die Alchemisten ihnen etwas ins Essen geben. Sie schlafen ein, und dann verbrennen sie von innen heraus.«
    »Ich hab das schon mal gesehen.« Kemir nickte. »Dasselbe geschieht, wenn sie sterben.«
    »Das kann ich nicht sagen. Ich habe noch nie einen toten Drachen gesehen.«
    »Nun, wenn es Schneeflocke treffen sollte, werden wir uns wenigstens für eine Weile keine Sorgen um eiskalte Nächte machen müssen.« Er ließ den Blick an den steilen Wänden der Schlucht hinaufgleiten. Nein. Nur darum, nicht zu verhungern . »Ich nehme mal an, dass du nicht weißt, wo wir sind?«
    Der Knappe schüttelte den Kopf. Es dauerte nicht lange, bis Kemir begriff, dass der Knappe weder Nahrung, Wasser, Decken, Ersatzkleidung noch sonst irgendwelche nützlichen Dinge dabeihatte, um in der Wildnis zu überleben. Er hatte jedoch einen Drachen. Anscheinend genügte das.
    Kemir machte auf dem Absatz kehrt und kletterte den Abhang weiter hinab, wobei er den schmalen Wasserläufen folgte, die sich sprudelnd einen Weg über den Erdboden bahnten. Allmählich wurde die Schlucht noch steiler und schmaler. Er kam an unzähligen Höhlen vorbei. Das ist also der Weltenkamm. Durchlöchert wie eine Honigwabe. Klaffende Löcher, die groß genug sind, eine ganze Armee zu beherbergen, und winzige Hohlräume, in die sich ein Mann kaum zwängen kann . Je tiefer er kam, desto ausladender wurden die Bäume, die über alles ihre Schatten warfen. Die Felswände drängten sich immer näher aneinander. Die Rinnsale vereinten sich zu einem reißenden Fluss, der immer schneller und tiefer um jede Biegung rauschte. Unvermittelt öffneten sich die schroffen Berghänge zu beiden Seiten, und Kemir befand sich nun inmitten eines schräg abfallenden Waldes. Mühsam kletterte er die steile Böschung hinauf, setzte sich dann an den Rand der Schlucht und

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