Der Drachenthron: Roman (German Edition)
Bewegung in- und auswendig kannten. Angeblich hatte Prinz Lai vier der fünfzehn anerkannten Taktiken erfunden. Die anderen elf waren sogar noch älter.
Sie wendete Vidar, kehrte dem Schlachtfeld den Rücken zu und ließ den Drachen spiralförmig hinabsausen. Inmitten der Legionen befand sich Sprecher Hyrams Turm, auf dem er und die Drachenkönige und -königinnen standen, die an der nachgestellten Schlacht nicht teilnahmen, und dem Spektakel zusahen. Jaslyns Mutter war dort, ebenso wie Almiri. Lystra war im Süden geblieben und wurde immer runder, während Prinz Jehals Erbe in ihr heranwuchs. Im Vorbeifliegen suchte sie den Turm nach Prinz Tichane ab, konnte ihn jedoch nicht ausmachen. Bei dem Gedanken an König Valmeyans Botschafter durchströmte sie ein sonderbares Gefühl, das normalerweise allein den Drachen vorbehalten war.
Sie schob all das beiseite, landete Vidar am Fuße des Turms und übergab ihn an die Alchemisten und Knappen, die ein provisorisches Nest um den Turm herum erbaut hatten. Dann sprang sie leichtfüßig die Stufen hinauf. Draußen, hoch über der Ebene, kreisten nun die restlichen Drachen, warteten darauf zurückzukehren, und beobachteten die Handvoll derer, die sich der Legion noch widersetzten.
»Du hast zwei meiner Reiter verloren«, sagte Shezira, sobald Jaslyn das Dach erreicht hatte.
»Prinz Lais Formation der Herbstblätter.« Sprecher Hyram lächelte sie an. »Ehrgeizig. Die korrekte Ausführung ist sehr schwer.«
»Und dir auch nicht besonders gelungen«, fügte She zira hinzu.
Jaslyn biss die Zähne fest zusammen. »Was willst du damit sagen?«
»Du warst zu schnell. Die Ritter hinter dir waren zu langsam. Die Legion hatte Zeit, sich neu zu formieren.« Sie schüttelte den Kopf. »Aber mach dir nichts draus. Noch ein anderer hat dieselbe Taktik versucht und es ebenfalls vermasselt.«
»Prinz Jehal.« Hyram spuckte den Namen regelrecht aus. »Eure Ausführung war besser.«
Shezira schüttelte den Kopf. »Da muss ich widersprechen. Sie haben sich beide gleich schlecht angestellt.«
Jaslyn blickte sich um und musterte die Anwesenden. Da waren zwei Männer – Cousins von Sprecher Hyram -, die sie noch nie zuvor gesehen hatte, und ein Haufen Berater, die sich um ihn scharten. Neben ihrer Mutter starrte Feldmarschall Nastria scheinbar selbstvergessen über die Ebene. Hinter ihr saß König Tyan in einem Sessel. Seine Zunge hing heraus, sein Kopf rollte schlaff hin und her, und seine Augen stierten hoch zum Himmel, wobei er ununterbrochen zitterte. Einige der Umstehenden erkannte sie von Lystras Hochzeit wieder. Königin Fyon, die sie freundlich anlächelte, während ihre Augen sie am liebsten erdolcht hätten. Und natürlich Valgar und Almiri.
Almiri packte sie am Arm. »Die Signalgeber auf dem Schlachtfeld haben bei deinem Angriff sieben Verwundete angezeigt. Ihr Schildwall war wohl nicht vollkommen geschlossen.«
»Und Prinz Jehal?«
»Vier.«
Aus irgendeinem Grund hob dieser Umstand ihre Laune. »Es ist doch sonderbar, Männer, die ich überhaupt nicht kenne, allein zum Zweck der Unterhaltung zu verbrennen. Ich hoffe, keiner von ihnen ist gestorben.«
»Der Signalgeber hat nur Verwundete angezeigt.«
»Wer gewinnt?« Jaslyn versuchte, so unbekümmert wie möglich zu klingen.
Almiri lachte. »Du jedenfalls nicht. Königin Zafir. Sechs Tote, dreißig Verwundete.«
» Was? «
»Sie hat jeden ihrer fünf Reiter verloren. Sie hat sie angreifen lassen. Am Boden.«
»Sie hat was getan?«
»Sie hat ihre fünf Ritter auf den Drachen landen lassen, und sie haben die Legion angegriffen, als seien sie die Kavallerie. Sie sind geradewegs in die Soldaten hineingestürmt. Haben die Männer auseinandergejagt. Und ihren Schildwall vollkommen zerstört. Dann ist sie hinter ihnen hergeflogen und hat sie verbrannt. Sie haben zwar alle Ritter am Boden geschnappt, sie jedoch nicht.«
»Aber das ist Betrug !«
»Sprecher Hyram sieht das anders. Er lässt es gelten.«
Jaslyn ballte die Hände zu Fäusten und knirschte mit den Zähnen. »Was ist aus den Traditionen geworden? Kein Kontakt. Niemand würde seine Drachen landen lassen, um einen echten Feind zu attackieren. Sie würden auf der Stelle getötet werden! Das dürfen sie nicht.«
»Die Reiter am Boden sind alle tot. Da Königin Zafirs Drache den ganzen Schaden angerichtet hat und sie unversehrt entkommen konnte, lässt Sprecher Hyram den Punktestand gelten.« Almiri legte einen Arm um Jaslyns Schulter und führte sie zur anderen
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