Der Drachenthron: Roman (German Edition)
Egal wie fest sie mit den Füßen aufstampfte, die Schuhe passten einfach nicht richtig. Es schien, als seien sie über Nacht geschrumpft.
»Also? Hat er oder hat er nicht?« Königin Shezira hatte es sich in einer Ecke des Ankleidezimmers ihres Feldmarschalls bequem gemacht.
Sie sieht geistesabwesend aus, dachte Nastria. Mit den Gedanken weit weg. »Kurze Antwort: Ich weiß es nicht.« Da. Endlich glitt ihre Ferse in den Stiefel. Einer geschafft . »Wenn er es war, hat er es gut versteckt.«
»Vielleicht lagen wir falsch, was Sprecher Hyram anbelangt. Er ist nicht mehr er selbst. Vielleicht hätten wir die Weiße doch mitbringen sollen, damit er sie sieht, bevor wir sie Jehal zum Geschenk machen.«
Lady Nastria schnaubte verächtlich. »Eure Heiligkeit, Hyram hasst Prinz Jehal. Und außerdem ist er engstirnig und rachsüchtig. Ihr habt die Weiße über die Purpurnen Berge geschickt, denn wenn Ihr sie in den Adamantpalast mitgebracht hättet, hätte er einen Weg gefunden, ihre Reinheit zu besudeln, und das aus reiner Boshaftigkeit.«
»Ich glaube nicht, dass Lystra oder Jaslyn viel von unserem Sprecher halten.« Nein. Sie waren beide zu sehr damit beschäftigt gewesen, Valmeyans Botschafter, Prinz Tichane, schöne Augen zu machen. Wenn sie nicht gerade über den einfältigen Prinz Tyrin und seine Brüder gekichert hatten. Der, unsere Vorfahren mögen uns gnädig sein!, zweifellos in wenigen Tagen in Furia auf uns warten wird .
»Das kann man ihnen doch nicht verübeln, Eure Heiligkeit, jedenfalls nicht mehr. Früher einmal war er ein starker Mann. Nicht wirklich ein guter oder gar ein gerechter Mann, aber stark genug, um seinen Willen durchzusetzen. Und nicht einmal mehr das ist er nun. Die Reiche werden erleichtert aufatmen, sobald Ihr seinen Platz einnehmt.«
Shezira erhob sich und ging im Zimmer auf und ab. »Der Hyram aus meiner Erinnerung, damals als wir alle noch viel jünger waren, hätte einfach meine Weiße mit einem seiner männlichen Drachen gedeckt, während wir schliefen. Oh, er hätte sich im Nachhinein entschuldigt und Reue geheuchelt, doch er hätte einen Anspruch auf die Eier erhoben, wenn es welche gegeben hätte, das steht außer Frage. Aber er ist nicht mehr der Mann, der er früher einmal war. Wenn Ihr ihn letzte Nacht gesehen hättet, könntet Ihr mich verstehen.«
»Allein schon nach Eurer kurzen Beschreibung bin ich heilfroh, dass mir dieser Anblick erspart geblieben ist. Ich hätte mich womöglich verpflichtet gefühlt, ihn auf der Stelle von seinem Leid zu erlösen. Geschafft!« Nastria nahm einen tiefen Atemzug und seufzte, als ihr zweiter Fuß endlich in den anderen Reitstiefel glitt. »Nein, ich denke, es war eine weise Entscheidung, Jehals Geschenk nicht hierher mitzubringen. Ich habe nichts Verräterisches in Hyrams Drachennest gefunden, aber dennoch … Prinz Jehal wäre wahrscheinlich nicht besonders erfreut, wenn wir sein Hochzeitsgeschenk nicht in einwandfreiem Zustand liefern würden.« Sie rümpfte die Nase und grinste hämisch. »Meine Nachforschungen haben lediglich ans Licht gebracht, dass Hyram in letzter Zeit eine Vorliebe für kleine Jungen an den Tag gelegt hat. Man munkelt, dass man ihn seit Monaten nicht mehr mit einer Frau gesehen hat und seine Kammerpagen auf mysteriöse Weise verschwinden.«
Die Königin seufzte, und Nastria runzelte überrascht die Stirn. Shezira war an diesem Morgen kaum wiederzuerkennen. Sie war nachdenklich und aufgewühlt, und das allein aus dem Grund, weil Sprecher Hyram tatsächlich endlich das Zeitliche segnen könnte.
»Denkt Ihr, ich hätte nochmals heiraten sollen, nach Antros’ Tod?«
»Nein!« Nastria wandte sich rasch ab und nestelte an einer ihrer Schnallen, bevor die Königin ihren Blick bemerken konnte.
»Nein. Wahrscheinlich nicht. Es spielt sowieso keine Rolle.« Dann lachte Shezira und zeigte zur Tür. Die beiden Frauen machten sich auf den Weg und ritten schweigend zu Hyrams Drachennest.
»Das hier ist ein gutes Nest«, murmelte die Königin, als sie wieder abstiegen. »Ich werde die Zeit genießen, sobald es mir gehört.«
»Mir gefällt der Bergfried besser, Eure Heiligkeit«, sagte Nastria, doch Shezira hatte sich bereits abgewandt und suchte nach Mistral und ihren Töchtern, ohne sich weiter um sie zu kümmern.
Den Feldmarschall störte das jedoch nicht im Geringsten. Das Alleinsein war ihr zur zweiten Natur geworden.
Später, als sie alle hoch in den Lüften schwebten, den Adamantpalast weit hinter sich
Weitere Kostenlose Bücher