Der Drachenthron: Roman (German Edition)
das Gleiche gesagt, und Kemir hätte recht gehabt. Sollos verschwendete keinen weiteren Gedanken mehr auf den Alchemisten.
Als er zum Treffpunkt zurückkehrte, fand er Kemir an einen Baum gelehnt vor. Neben ihm lag etwas Pelziges auf der Erde, das Sollos irgendwie an eine Ratte erinnerte, nur dass es die Größe eines kleinen Rehs hatte.
Kemir grinste. »Mittagessen«, sagte er. »Denkst du, wir können ein Feuer machen?«
»Auf gar keinen Fall.« An einem schönen Tag wie diesem wäre der Rauch meilenweit zu sehen.
»Hm, heute macht es mit dir irgendwie keinen Spaß. Sie kommen nicht zurück. Außerdem könnte es der Alchemist sehen. Vielleicht hat er sich bloß verlaufen.«
Sollos schüttelte den Kopf. »Morgen. Morgen um diese Uhrzeit wird die Königin nach uns suchen. Dann werden wir ein Feuer entzünden.«
Kemir hob mürrisch die Schultern und machte sich mit dem Messer über den Tierkadaver her. Rohes Fleisch war besser als gar kein Fleisch. Der Fluss versorgte sie mit Trinkwasser. Im Großen und Ganzen hätte Sollos die Zeit im Grünen genießen können, hätte er nicht ununterbrochen den Himmel absuchen müssen.
Ja. Und genau das ist der Haken!
Er stand auf, versuchte sich abzulenken und die Zeit totzuschlagen. Schließlich ging er zum Fluss und den Überresten ihrer Habseligkeiten zurück, nur für den Fall, dass er etwas übersehen hatte.
Und das hatte er. Die Kisten und Taschen, die aufgetürmt neben dem Gewässer herumlagen, waren immer noch zerstört, und es gab nicht das Geringste, was sich zu bergen gelohnt hätte, doch als er sich umdrehte und den Blick über die Böschung der Berghänge schweifen ließ, bemerkte er, was ihm entgangen war. Eine große schwarze Schneise zwischen den Bäumen. Heute Morgen bei Sonnenaufgang hatte diese Seite des Tals im Schatten gelegen. Jetzt stand die Sonne im Zenit, und damit war die Wunde deutlich zu sehen, die in den Wald geschlagen worden war.
Er starrte blinzelnd hinüber, und als er ganz sicher war, hastete er zurück zu Kemir und zerrte ihn zum Fluss, damit auch er sich ein Bild von der Sache machen konnte.
»Da!«
Kemir sog scharf die Luft ein. »Ist es das, wofür ich es halte?«
»Das kann kein Feuer angerichtet haben.«
Kemir schüttelte den Kopf. »Nein. Zu groß.«
»Viel zu groß.«
»Dort oben liegt ein toter Drache, nicht wahr?«
Sollos nickte bedächtig. »Und es gibt nur einen Weg, das herauszufinden.«
»Uns bleiben noch vier Stunden Tageslicht. Denkst du, wir schaffen es rechtzeitig hoch?«
»Nein. Aber wir wären viel näher dran, als wir es jetzt im Moment sind.«
Sie sahen sich grinsend an. Ein toter Drache bedeutete Drachenschuppen. Und Drachenschuppen bedeuteten Gold, kübelweise Gold, viel mehr, als Königin Sheziras Feldmarschall ihnen je in die Taschen gesteckt hatte. Auf einmal waren sie wieder einfache Soldaten. Einfache Soldaten, die zu Reichtum gelangen wollten.
Der Aufstieg kostete sie den restlichen Tag und einen Großteil des folgenden Vormittags. Schließlich führte der Geruch sie zu ihrem Ziel, der Gestank nach verbranntem Holz und etwas anderem, etwas Süßlichem, Fleischigem. Der Drache war dort, verkeilt in den Bäumen, die er bei seinem Aufprall mit sich gerissen hatte. Seine Flügel waren verdreht und gebrochen, doch größtenteils war er unversehrt und immer noch so warm, dass Sollos die Hitze des Tieres aus großer Entfernung spüren konnte. An manchen Stellen waren die Schuppen rußgeschwärzt. Seine Augen waren längst zu Holzkohle versengt. Winzige Rauchsäulen kräuselten sich aus seinem Mund und den Nüstern.
Kemir zog ein Messer aus der Tasche, rannte zu dem Drachen, berührte eine Schuppe und sprang dann jaulend zurück.
»Verdammt! Aua! Das ist heiß! Richtig heiß!«
Ein kaum hörbares Geräusch war unter einem der gebrochenen Flügel zu vernehmen. Augenblicklich spannte Sollos seinen Bogen.
»Wer ist da?«
Langsam tauchte eine verschmierte schwarze Gestalt auf. Einige Sekunden starrte Sollos sie einfach an. Dann wischte sich der Mann den Schlamm aus dem Gesicht, und Sollos atmete erleichtert aus. Der Alchemist.
»Lady Nastrias Söldner.« Der Alchemist sank auf die Knie. »Den Flammen sei gedankt! Ich habe mich … nun ja … ich habe mich nämlich verlaufen. Und dann hat es zu regnen begonnen, und mir war kalt, und ich konnte nicht schlafen, also bin ich den Berg hochgeklettert, auf der Suche nach einem trockenen Unterschlupf. Ich habe den Schein des Feuers hier oben zwischen den
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