Der Drachenthron: Roman (German Edition)
erreicht hatten? War es den Jägern deshalb möglich, sie zu erlegen? »Aber, aber … Es wird bald dunkel.«
»Ja. Seid dankbar. So sind wir schwerer zu finden.«
»Drachen können Wärme sehen«, platzte es aus Huros heraus. Er verzog das Gesicht. Seine Hände hatte es am schlimmsten getroffen. Er hätte alles gegeben, um zurück zum Fluss zu laufen und sie in das köstlich kalte, fließende Wasser zu tauchen.
Die Söldner tauschten wiederum Blicke aus. »Schlamm«, sagte Kemir. »Gut gegen Verbrennungen.« Er zeigte zu den Bergen. »Ich gehe dort lang. Mal sehen, ob ich nicht die eine oder andere falsche Fährte legen kann.«
Sollos nickte und schaute Huros an. »Ihr bahnt Euch einen Weg noch tiefer in den Wald hinein. Ich gehe flussabwärts. Bleibt immer in Deckung, das ist das Wichtigste. Um alle, die uns zu Fuß folgen sollten, kümmern wir uns. Sobald es dunkel ist, können sie Euch nicht finden, wenn Ihr Euch ruhig verhaltet. Wir treffen uns morgen, nachdem sie verschwunden sind. Eine Meile flussaufwärts. In der Richtung, in die Kemir geht.«
Huros öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, doch die Worte blieben ihm im Hals stecken. Nein, nein! Nicht! Lasst mich mit euch kommen! Aber die Söldner hatten sich bereits weggedreht. Sprachlos sah er ihnen nach, wie sie ihn einfach zurückließen. Am liebsten hätte er geweint. Seine Hände, seine wunderschönen Hände …
Es sind bloß Schmerzen , ermahnte er sich. Und die werden vergehen .
Dennoch …
Er begann zu rennen. Er hatte nicht den blassesten Schimmer, ob er in die richtige Richtung lief, nur dass es nicht derselbe Weg war, den die beiden Söldner eingeschlagen hatten. Kemir hatte recht. Schlamm. Dicker, kühler, schleimiger Schlamm. An diesen Gedanken klammerte er sich. Schlamm half bei Verbrennungen. Woher wusste das der Söldner? Dumme Frage – Drachen waren Bestandteil seines Lebens, also kannte er sich natürlich damit aus.
Er versuchte, die Drachen auszublenden, die womöglich über seinem Kopf kreisten, ebenso wie die Reiter, die zwischen den Bäumen ihre Verfolgung aufgenommen haben mochten. Sobald er außer Atem war, blieb er stehen und ruhte sich an einen Baumstamm gelehnt aus, wobei er achtgab, sich seine Verbrennungen nicht an der Rinde aufzukratzen. Der Wald lag still da. Huros dachte eine Weile über diesen Umstand nach und entschied schließlich, dass es ein gutes Zeichen war. Er wusste nicht, wo er sich befand, doch mit etwas Glück erging es seinen Verfolgern nicht anders. Außerdem brach die Dunkelheit an. Er versuchte, weder an Wölfe noch Schnäpper oder andere Monster zu denken, die seine Fährte aufgenommen haben konnten. Einen sicheren Unterschlupf, das war es, was er brauchte. Einen sicheren Unterschlupf und Wasser. Nahrung käme ebenfalls nicht ungelegen, auch wenn das wohl etwas zu viel verlangt wäre.
Huros dachte über all diese Dinge nach, bis es sich in seinem Kopf zu drehen begann, und verlor sich dann noch ein wenig länger in seinen Gedanken darüber. Sie waren eine schwache und brüchige Rüstung, hielten jedoch die grauenvollen Bilder in Schach. Als er sich damit schließlich nicht mehr ablenken konnte, grub er die Fingernägel in die verbrannte Haut seiner Hände, bis der Schmerz so überwältigend wurde, dass er alles andere überdeckte.
Am Leben bleiben …
Sobald das Licht schwand und es zu dunkel wurde, um irgendetwas zu sehen, fand er einen Unterschlupf und schmiegte sich in die Vertiefung eines riesigen Baums. Er versuchte zu schlafen. Als das nicht funktionierte, versuchte er sich einzureden, es sei Sommer, und die Nächte seien kurz und warm, selbst hier in den Ausläufern des Weltenkamms, und die Sonne ginge schon bald wieder auf. Er würde sich einen Weg zum Fluss bahnen, die Söldner wären dort, die Königin und die Reiter kämen zurück, und alles würde gut enden.
Mitten in der Nacht setzte der Regen ein.
9
Der Feldmarschall
L ady Nastria, Feldmarschall und Herrin über Königin Sheziras Drachenreiter, schaute auf und erhaschte einen Blick ihrer Selbst im Spiegel. Sie sah, was sie immer sah. Eine kleine, mausgraue, unscheinbare Reiterin, aus der eigentlich nie etwas hätte werden können, die aber dennoch zum Feldmarschall der mächtigsten Königin der Reiche aufgestiegen war. Ein Rätsel. Manchmal konnte nicht einmal sie selbst sagen, wer sie in Wirklichkeit war.
Heute war sie allerdings, Rätsel hin oder her, sehr verärgert. Ihre Stiefel wollten nicht so, wie sie wollte.
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