Der Drachenthron: Roman (German Edition)
weiß nur, was sie tun, wenn sie einen Reiter auf dem Rücken haben.« Er spielte mit dem Messer in seiner Hand. Semian kam immer näher. Er sah verwirrt aus, als hätte er nicht den blassesten Schimmer, was geschehen war. Leichte Beute .
»Lass mich mit ihm reden.« Sollos bahnte sich einen Weg über die Steine zu dem benommen wirkenden Drachenritter. Von weit oben hallte eine Serie von mark – erschütternden Schreien durchs Tal. Kemir zuckte zusammen.
»Reiter! Reiter Semian! Geht es Euch gut?«
Semian schwieg beharrlich. Sein Gesicht glich einer sonderbaren Maske. Kemir spürte, wie sich ihm die Haare im Nacken aufstellten. Gefahr! Er machte einen Schritt auf sie zu. »Sollos!«
Semians Mund stand halb offen, seine Augen waren leer und ausdruckslos, doch als er sich bewegte, geschah es mit einer unerwarteten Schnelligkeit und unbändiger Entschlossenheit. Im Bruchteil einer Sekunde hatte er sein Schwert gezogen und Sollos durchbohrt. Sollos stieß ein leises Grunzen aus und krümmte sich. Als Semian sein Schwert wieder herauszog, sackte Sollos in sich zusammen und fiel ins Wasser. Kemir war so entsetzt, dass er sich nicht rühren konnte.
»Sollos!«
Semian hob sein Schwert und ließ es wieder herabsausen, rammte die Spitze in die freigelegte Haut an Sollos’ Kehle.
» Sollos! «
Semian drehte sich um und blickte Kemir an. Der leere Ausdruck in seinen Augen war verschwunden.
»Du Bastard !« Kemir zögerte. Wut und Rachegefühle ergriffen ihn, verlangten nach sofortiger, blutiger Vergeltung. Doch Semian trug eine Rüstung. Er war ein Ritter. Und er hatte sich so überraschend schnell bewegt.
Ich habe Angst vor ihm . Die Erkenntnis war erschreckend, beinahe ebenso schlimm wie der Anblick seines sterbenden Cousins. Wenn ich mit ihm kämpfe, könnte er womöglich gewinnen. Ich habe Angst vor ihm. Und er hat keinerlei Angst vor mir.
Semian kam langsam näher. Seine Absicht ließ keinerlei Zweifel mehr offen. Er wusste genau, wo er war und was er gerade tat.
»Du und ich, Söldner. Das wolltest du doch immer.«
»Er hatte nicht mal sein Schwert gezogen. Er wollte dir helfen. Du bist Abschaum. Du und deinesgleichen.«
»Jetzt wird alles klar.« Semians Augen funkelten wild. »Du warst die ganze Zeit Teil dieses abgekarteten Spiels. Ihr beide. Ständig hast du dich über mich lustig gemacht, aber jetzt werde ich es dir heimzahlen.« Er schwang das Schwert durch die Luft. »Nun da meine Klinge mit dem widerwärtigen Blut eines Verräters besudelt ist, kostet es mich große Überwindung, die Waffe überhaupt in Händen zu halten. Bringen wir es rasch hinter uns, du Hund, bevor ich den Gestank nicht mehr ertragen kann. Der Kampf soll beginnen. Töte mich, wenn du kannst, oder füge dein Blut seinem hinzu.«
Kemir wich einen Schritt zurück, um einen gebührenden Abstand zwischen ihnen zu wahren. »Dich hier und jetzt zu töten, das ginge mir viel zu schnell. Ich will zu – sehen, wie du langsam krepierst.«
»Bist du etwa zu feige, um mit mir zu kämpfen, Söldner?«
Brennende Wut wallte wieder in Kemir auf, doch seine Angst hielt sie in Schach. »Eines Tages wird ein Schatten in einer Gasse auf dich warten, und ich werde dieser Schatten sein, zusammen mit meinem Bogen. Du wirst mich nicht kommen sehen. Dein Tod wird dich völlig unvorbereitet treffen!« Kemir lief durch das rauschende Wasser und sprang flink über die Steine. Semian in seiner Rüstung aus schweren Drachenschuppen könnte ihn niemals einholen, und er versuchte es erst gar nicht. Der Ritter stand einfach da und schaute ihm nach.
»Feigling!«
»Du wirst mich nicht kommen sehen!« Kemir drehte sich um und rannte weiter. Als er den Fluss überquert und die Bäume erreicht hatte, sah er sich noch einmal um. Semian stand immer noch da, wie festgefroren, völlig ungeschützt. Ein perfektes Ziel. Kemir schob seinen Bogen von der Schulter und begann die Sehne zu spannen. Zwanzig, dreißig Meter. Ein Mann in Rüstung. Wenn er so dumm ist, dort stocksteif stehen zu bleiben, kann ich ihn womöglich treffen. Ich werde ihn nicht töten. Dann kann ich mich in aller Ruhe um ihn kümmern. Ja, das wäre perfekt.
Er hatte die Drachen beinahe vergessen, als ein weiterer Schrei die Stille durchschnitt, diesmal so laut und nah, dass Kemir zusammenzuckte. Einen Augenblick später explodierte der Fluss. Wasser spritzte in die Höhe, Steine flogen durch die Luft, als zwei Drachen, die Zähne und Klauen ineinandergeschlagen, ins Flussbett stürzten. Der eine
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