Der Dreissigjaehrige Krieg
Habsburger (1593 bis 1606). Er machte schnell Karriere: In Ungarn brachte er es vom Obersten bis zum Feldmarschall, und dann übertrug ihm Bayerns Herzog Maximilian I. die Reorganisation seines Heereswesens.
Die beiden schienen wie füreinander geschaffen, verband sie doch, wie Marcus Junkelmann festhält, »ihre tiefe katholische Religiosität, ihr hohes Pflichtgefühl und ihre Selbstdisziplin«. Maximilians Beichtvater, der Jesuit Johann Vervaux, berichtete, der Bayernfürst habe jeden Tag ein einstündiges Morgengebet abgehalten, zwei Messen besucht und stundenlang gekniet. Und sein oberster Kriegsherr? Der soll, wie die kleine Fraktion seiner stockkatholischen Verteidiger gern betont, bei aller taktischen Finesse und Rücksichtslosigkeit einen lebendigen, ja glühenden Christenglauben an den Tag gelegt haben. Ausgerechnet er? Kaum eine andere herausragende Gestalt des Dreißigjährigen Krieges hat nun einmal so unterschiedliche Beurteilungen hervorgerufen wie Tilly, »der mönchische alte Kriegskönner, dem Maximilian die militärischen Aufgaben bescheiden klüglich überließ« (Golo Mann).
Als sich der bayerische Herzog im Oktober 1619 von Kaiser Ferdinand II . in den Großen Krieg hineinziehen ließ und sich auf die Seite Habsburgs schlug, war Tillys große Stunde gekommen. Bis 1631 sollte er, nicht zuletzt dank mächtiger Heere mit über 20.000 Soldaten, von Sieg zu Sieg schreiten. Schnell hatte seine 24.000 Mann starke Armee Oberösterreich besetzt, das als Pfandbesitz Maximilians zunächst unter bayerische Verwaltung kam. Danach rückte er in Böhmen ein, schlug am Weißen Berg die böhmisch-pfälzische Armee und nahm Prag. 1621 wurde die Oberpfalz besetzt, im Jahr darauf gemeinsam mit den Spaniern die Rheinpfalz.
Einen Söldnerführer nach dem anderen warfen Tillys Truppen nieder: den Markgrafen von Baden-Durlach bei der Stadt Wimpfen (Mai 1622), Herzog Christian von Braunschweig, der als der Tolle Halberstädter bekannt war, in der Nähe von Höchst (Juni 1622), den dänischen König Christian IV . in der Schlacht bei Lutter (August 1626). Immer weiter rückte Tilly nach Norden vor, immer weitere Landstriche wurden mit Blut getränkt. Und nebenbei häufte der asketische Krieger, der durchaus auf seinen persönlichen Vorteil bedacht war, Reichtümer an.
Allein als Belohnung für die Eroberung der Pfalz erhielt Tilly die Herrschaften Helfenberg, Holnstein, Freystadt, das Amt Hohenfels und die reichsfreie Herrschaft Breitenegg. Junkelmann: »Tatsächlich ist kein anderer militärischer oder ziviler Mitarbeiter des bayerischen Kurfürsten in solchem Ausmaß rekompensiert worden wie Tilly.«
Doch je weiter die Kaiserlichen plündernd und mordend ins protestantische Norddeutschland vorrückten, desto größer musste der Argwohn von Schwedenkönig Gustav Adolf werden, der um seine Vormachtstellung im Ostseeraum fürchtete. In ihm erwuchs Tilly ein Gegner von ganz anderem Format: Gustav Adolf war gerade einmal 35 Jahre alt, er verfügte über 20 Jahre kriegerische Erfahrungen, und er kommandierte volle 40.000 Mann – nicht irgendwelche verwahrlosten Söldner, die schon mehrfach Fronten und Konfessionen gewechselt hatten, sondern ausgeruhte Wehrpflichtige aus Schweden. Anfang Juli 1630 landete Gustav Adolf mit seinen Truppen auf Usedom. Nur kurze Zeit später entließ der Kaiser Wallenstein und ernannte Tilly zu dessen Nachfolger. So war der 71-Jährige nun der Doppelbelastung als Generalleutnant des Kaisers wie der Liga ausgesetzt.
Tilly erkannte wohl sehr bald die Gefahr, die von dem Schweden ausging, und er war sich gewiss auch der jämmerlichen Erscheinung seiner eigenen, vom jahrelangen Krieg demoralisierten Truppen bewusst. Am 25. Januar schimpfte er über diese Armee: »Keine Artilleriepferde, kein einziger Offizier, keine Stücke, so zu gebrauchen, kein Pulver, Kugeln, Hacken und Schaufeln, kein Geld noch Proviant vorhanden.« Der einzige Sieg, der ihm noch vergönnt sein sollte, war das Desaster von Magdeburg. Danach wurde Tilly, der so lange Unüberwindliche, von den Truppen des Schwedenkönigs und seiner Verbündeten gehetzt wie ein angeschossenes Tier: zunächst in Breitenfeld, nördlich von Leipzig, vernichtend geschlagen; dann in Rain am Lech, am 15. April 1632, durch eine Kanonenkugel getroffen. »Gleich jetzt wird dem Grafen von Tilly ein Schenkel mit einem Doppelhaken entzweigeschossen«, meldete Maximilian I. an Wallenstein. Tilly starb 15 Tage nach einer Knochenmarkentzündung unter
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