Der Dreissigjaehrige Krieg
sich dagegen sperrte. Anstatt sich den übermächtigen kaiserlichen Truppen zu ergeben, was die Stadt gerettet hätte – denn in Magdeburg war mittlerweile auch das Pulver knapp geworden –, hofften sie auf die Ankunft der schwedischen Truppen.
Der Stadtführer zeigt der Gruppe vom Turm der Johanniskirche die Stellungen der Belagerer. Auch Tillys Heer litt unter großem Nachschubmangel, mit allen üblen Folgen: Soldaten desertierten, Pferde verendeten. Tilly sah seine Armee durch die heranrückenden Schweden bedroht. Der Schwedenkönig hatte im April 1631 Frankfurt an der Oder erobert und marschierte nun durch Brandenburg auf Magdeburg zu. Der Kaiser hatte aus Angst vor den Schweden seinem Feldherrn bereits den Abzug befohlen, damit der Gustav Adolf den Weg nach Süden versperre. Noch einmal traten die Belagerer mit dem Schlachtruf »Jesus Maria« zum Sturmangriff an. Tatsächlich überraschten die kaiserlichen Truppen die Magdeburger: Da nach Sonnenaufgang kein Angriff erfolgt war, hatte die Hälfte der Wachen ihren Posten auf dem Wall verlassen, »um des süßen Schlafes sich zu erfreuen – aber ein teurer Schlaf, und ein entsetzliches Erwachen«, schrieb Friedrich Schiller in seiner »Geschichte des Dreißigjährigen Krieges«.
Den Pappenheimern gelang es, in die Stadt einzudringen, wo ein erbitterter Häuserkampf geführt wurde. Schnell brachen an allen Ecken der Stadt Brände aus, die ganze Straßenzüge in Schutt und Asche legten. Die Söldner stürmten den reichen Ort, der ihnen so lange als begehrtes Ziel vor Augen gelegen hatte. Der Erfolg versetzte die rohe, abgestumpfte Soldateska in einen Blutrausch, der in einem unglaublichen Gewaltexzess endete. Otto von Guericke, Naturwissenschaftler, Ratsherr und späterer Bürgermeister der Stadt, resümierte später wie mit nachträglich erstickender Stimme: »Da ist nichts als Morden, Brennen, Plündern, Peinigen, Prügeln gewesen.« Hinterlassen hätten die kaiserlichen Soldaten »einen Fluss, rot von Blut, auf dem Knäuel von verkohlten Körpern treiben; Straßen, übersät mit Leichen …«.
Der Stadtführer erzählt von diesen Details nur andeutungsweise. Er hat die Erfahrung gemacht, dass die Besucher mit den Einzelheiten der grausamen Taten – Säuglinge wurden auf Lanzen aufgespießt durch die Stadt getragen, zahllose Mädchen und Frauen wurden von Soldaten vergewaltigt – einfach überfordert sind. Selbst die Generäle Tilly und Pappenheim zeigten sich schockiert. Sie hätten in Norddeutschland eine reiche, lebendige Stadt als militärischen Stützpunkt gebraucht. Jetzt war Magdeburg eine Ruine, in der Leben schwer möglich war. Bis heute streiten Historiker darüber, wie die Brände entstanden. Ließ Pappenheim das Feuer legen, um Verwirrung unter den Feinden zu verbreiten? Oder war es Dietrich von Falkenberg selbst, um Tillys Beute im Augenblick des Sieges zu vernichten? Beweise für diese »Selbstmord-Theorie« haben sich bis heute nicht finden lassen.
Als die Besuchergruppe am mächtigen Magdeburger Dom vorbeikommt, gibt es noch eine besondere Geschichte zu erzählen. Obwohl bei der blutigen Aktion das jahrhundertealte Asylrecht der Kirchen außer Kraft geriet und die Gotteshäuser von den Söldnern gestürmt wurden, fanden 4000 Magdeburger drei Tage lang im Dom Zuflucht. Als die Eroberer die Portale aufbrachen, warf sich Prediger Reinhard Bake vor Tilly auf die Knie und pries den Feldherrn als größten Eroberer seit dem Fall Trojas. Das gefiel dem General derart, dass er den Verbliebenen Pardon gewährte und sie am Leben ließ.
Nur eine Handvoll der Gebäude von damals stehen noch. »Vor dem Dreißigjährigen Krieg war Magdeburg bedeutender als Berlin, Hamburg und Minden zusammen«, merkt Führer Hamsch an. Damit war es fortan vorbei. Tatsächlich hat die Stadt niemals ihren einstigen Glanz und ihre politische Bedeutung wiedererlangt. Die Überlebenden verließen ihre Heimat. Nur rund 450 wagten später den Neuanfang. Eine zweite Stadt entstand auf den Ruinen, mit ganz anderen Häusern und ganz anderen Bewohnern. Traurige Wiederholung der Geschichte, dass auch diese barocke Perle in Mitteldeutschland zerstört werden sollte – im Zweiten Weltkrieg.
DEUTSCHES PATHOS, DEUTSCHER ZWIST
Nach der Nördlinger Schlacht mussten sich die Schweden
aus Süddeutschland zurückziehen. Wichtige Verbündete wandten
sich ab. 1635 kam es in Prag zu einem Friedensschluss.
Von
Jan Puhl
A ls die Kaiserlichen im Sommer 1634 auf Nördlingen marschieren,
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