Der Dreissigjaehrige Krieg
entgegen. Vor allem am Scharfenberg wogt die Schlacht hitzig hin und her. Im beißenden Schwarzpulverdampf reiten die Schweden bis zu zehnmal gegen die feindlichen Stellungen an, sie schlagen Breschen und werden zurückgeworfen. Banér gerät in höchste Not; schon macht das Gerücht die Runde, er sei gefallen. Leslie haut ihn heraus, aber den Schwedischen sinkt allmählich der Mut: Wo bleibt nur der linke Flügel? Und warum greift Vitzthums Reserve nicht ein? Kurz vor Einbruch der Dunkelheit blasen die Kaiserlichen bereits zum Sieg. Doch da nimmt die Schlacht eine jähe Wendung, denn fast gleichzeitig tauchen die schwedische Reserve und der linke Flügel auf. Hatzfeldt und Johann Georg sind überrumpelt und halten Kriegsrat. Nicht Schwerter und Musketen entscheiden jetzt über Sieg und Niederlage, sondern die Nerven der Männer auf dem Schlachtfeld.
Diesen Kampf verlieren die Kaiserlichen. Sie beschließen den Rückzug im Schutz der Dunkelheit, doch vielfach wird daraus eine wilde Flucht. In einer zeitgenössischen Flugschrift der schwedischen Seite heißt es, der Feind habe »sich irre machen lassen« und »in großer Konfusion das Feld quittiert«. Banérs Truppen machen reiche Beute: Mehrere hundert Gepäckwagen des gegnerischen Trosses fallen in ihre Hände, darunter der kurfürstliche Kanzlei- und Silberwagen, mehr als 30 Kanonen, 40.000 Musketenkugeln und 152 Fahnen und Standarten. Die Anzahl der Toten, von denen viele auf der Flucht niedergemetzelt werden, liegt zwischen 5000 und 7000. Johan Banér, der Held dieser Schlacht, wird noch einige Jahre Angst und Schrecken in Deutschland verbreiten, den Krieg aber nicht überleben. Der schwere Trinker stirbt nach längerem Siechtum 1641 in Halberstadt.
GEPLÜNDERTE TOTE
Ein Massengrab auf dem Wittstocker Schlachtfeld gibt Aufschluss über das Leben und Sterben der Söldner.
Von Dietmar Pieper
Die Totenruhe dauerte 370 Jahre und sechs Monate. Dann fraß sich eine Baggerschaufel durch den sandigen Boden südlich von Wittstock, und auf einmal lagen diese Knochen da. Den Arbeitern der Kiesgrube war gleich klar, dass sie keinen Fall für die Mordkommission vor sich hatten, zu verwittert waren die aus vier Meter Tiefe ans Licht beförderten Gebeine. Und auch die Vermutung, bei den Toten könnte es sich um KZ-Gefangene handeln, die auf einem Todesmarsch 1945 ums Leben gekommen waren, ließ sich rasch widerlegen: Die entdeckten Zähne wiesen weder Plomben auf noch andere Spuren der neueren Zeit.
Für die Archäologen, die nach dem Fund im April 2007 zügig angereist kamen, war das eine große Freude: Sie hatten es mit einem sensationellen Fund zu tun, einem Massengrab aus dem Dreißigjährigen Krieg. Seither haben die Experten des Brandenburgischen Landesamts für Denkmalpflege alles unternommen, die Skelette zum Sprechen zu bringen. Zwar haben die morschen Knochen unter dem heftigen Eintrag chemischer Düngemittel in den Boden gelitten. Aber für die Wissenschaftler sind sie dank ausgeklügelter Analyseverfahren »eine biohistorische Urkunde«, sagt die Grabungsleiterin Anja Grothe.
In klassischer Handarbeit, mit Schaufel, Spatel, Sieb und Pinsel, haben die Archäologen zunächst den Fund gesichert und vermessen. In der 6 mal 3,50 Meter großen Grabstätte lagen ursprünglich rund 125 Leichen ordentlich neben- und übereinander, dicht gepackt wie Ölsardinen, die Köpfe der unteren Reihe platzsparend zwischen den Beinen der oberen. 88 Skelette wurden unversehrt aufgefunden, die übrigen hatte der Bagger auseinandergerissen. Bei den Gefallenen handelte es sich, so die Rekonstruktion der Experten, um schwedische Söldner unter dem Kommando des Schotten Alexander Leslie. Die Männer waren zwischen 17 und 40 Jahre alt und hatten eine durchschnittliche Größe von 1,70 Meter, der Kleinste maß 1,56 Meter, der Größte 1,82 Meter. Bei den hitzigen Gefechten am Scharfenberg hatten sie ihr Leben verloren.
Die 24 Bleikugeln, die in der Grube lagen, steckten ursprünglich wohl im Fleisch der Toten. Daneben fanden die Archäologen nur einige wenige Haken und Ösen – ein klarer Hinweis darauf, dass die überlebenden Kämpfer ihre gefallenen Kameraden nach Strich und Faden ausgeplündert haben. Die Waffen sowie alle brauchbaren Kleidungsstücke wurden zur Beute der schwedischen Truppe, die nach ihrem Sieg den Befehl erhalten hatte, das Schlachtfeld aufzuräumen.
Aus den Gebeinen haben die Wissenschaftler inzwischen einiges herausgelesen. Abgenutzte Gelenke deuten auf
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