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Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift

Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift

Titel: Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elinor Lipman
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vor Kälte beschlagenen Bierkrug wiederkam. »Sie haben keine Ahnung, wie gut dieser Anblick tut, nach einem Tag wie dem heutigen.«
    »O. K.«, sagte sie. »Weil Sie es sind: Wie war Ihr Tag?«
    »Sag du’s ihr«, forderte Ray mich auf.
    »Es ist was Persönliches -«, fing ich an.
    »Es geht nämlich um meine frühere Frau, die unsere ganze Ehe hindurch fremdging. Mit einem Arbeitskollegen. Wir haben uns sogar einmal mit ihm und seiner Frau getroffen.«
    »Das hast du mir noch gar nicht erzählt«, warf ich ein.
    »Wir waren mal bei ihnen zum Essen eingeladen. Das glückliche Paar - er die ganze Zeit den Arm um ihre Schulter, wühlt mit der Nase in ihren Haaren und macht geschmacklose Andeutungen von wegen ausgeflogener Jungen, und dass sie es in ihrer sturmfreien Bude jetzt treiben konnten, wo und wann es ihnen passte.«
    »Verstorbene Frau oder Exfrau?«, fragte die Kellnerin.
    »Verstorben. Autounfall. Den ich bis zum heutigen Tage auch nie als Akt göttlicher Vergeltung gesehen habe.«
    »Wie solltest du auch«, sagte ich, »wo du es doch erst heute erfahren hast?«
    »Vielleicht hatte ich ja eine Art Verdacht«, antwortete Ray.
    Die Kellnerin machte einen Schritt Richtung Küche. »Ich muss Ihre Bestellung eingeben. Tut mir Leid.«
    Mir tat es Leid, dass ich nicht Müdigkeit vorgeschützt und mich an der Haustür verabschiedet hatte. Ich saß da, konversationstauglich wie eine Taubstumme, und als Therapeutin denkbar schlecht geeignet. Ich versuchte, mich zu erinnern, was meine psychologisch gewiefteren Kollegen am Krankenbett eines ängstlichen und nervösen Patienten von sich zu geben pflegten. »Kann ich irgendwas für dich tun?«, hörte ich mich fragen.
    »Meinst du das ernst?«
    Eigentlich nicht. Ich sagte, ich hätte keine Ahnung, ob es irgendetwas gäbe, für das ich zu gebrauchen sei. Doch als Ärztin, und als Mensch, der Zeuge großen Leides und zahlreicher Reuebekenntnisse am Totenbett geworden sei - das war geflunkert -, sei ich der Meinung, dass der überlebende Ehepartner vergeben und vergessen solle.
    »Nur«, meinte Ray, »dass wir hier nicht über ein Versehen reden, Doc, über einen einmaligen Ausrutscher, sondern über eine Ehefrau, die bei jeder sich bietenden Gelegenheit die Beine breit gemacht hat.«
    Ich trank einen Schluck Wasser und sagte: »Hast du sie jemals betrogen?«
    »Niemals. Nicht ein einziges Mal. Und wieso auch? Ich, ein Mann mittleren Alters, der nicht gerade toll aussieht und auch sonst nicht gerade eine große Nummer ist, und der das Glück hatte, diese junge und ausgesprochen heiße Frau aufzugabeln.«
    Ich wollte wissen, wieso er von »Glück haben« sprach. Wie hatten sie sich denn kennen gelernt?
    »Bei der Arbeit.«
    »Bei deiner oder ihrer?«
    »Meiner. Auf einer Landwirtschaftsmesse. Ich war an meinem Stand, und da kommt diese unglaublich gut aussehende junge Frau daher. Sie sah wirklich umwerfend aus - langes, dunkles Haar, große braune Augen, Lederhosen, Wildlederstiefel bis übers Knie - und bat mich um Servietten, weil hier alles voll Pferdeäpfel und Kuhfladen war. Und dann musste sie sich die Hände waschen, und ich lieh ihr meinen Schlauch, und dann kaufte sie aus Dankbarkeit ein halbes Kilo Schoko-Nuss.«
    »Und wie führte das zu eurer Heirat?«
    »Na, rat mal, Doc. Versuch’s.«
    »Du hast dich mit ihr verabredet?«
    »Zu guter Letzt. Aber wie kam es dazu?«
    »Mit Hilfe eines Telefons?«
    »Korrekt. Aber wer hat wen angerufen?«
    »Sie rief die Nummer an, die auf der Schokoladeschachtel stand.«
    Mit einer pantomimischen Einlage gab er mir wortlos zu verstehen: Umgekehrt wird ein Schuh draus.
    »Fast: Ich bat sie, ihre Telefonnummer auf den Scheck zu schreiben, mit dem sie bezahlte.«
    »Und dann hast du sie angerufen und dich mit ihr verabredet.«
    »Nee. Das wäre zu einfach gewesen. Eigentlich hatte ich vorgehabt, sie zu einer Führung durch die Fabrik einzuladen.«
    Ich sagte, ich hätte gar nicht gewusst, dass er eine Fabrik habe. Wo die denn stehe, und wie viele Leute da arbeiteten.
    » Eigentlich ist es nicht meine Fabrik. Aber lass mich fertig erzählen. Ich rief also an und sagte, ich sei der Typ vom Schokoladenstand, der ihr geholfen hat, sich die Scheiße von den Stiefeln zu wischen. Sie fragte gleich, ob der Scheck geplatzt wäre. An diese Variante hatte ich zwar nicht gedacht, aber ich sagte ja, leider. Und obwohl ich normalerweise eine Gebühr von fünfundzwanzig Dollar für einen ungedeckten Scheck verlange, wäre ich bereit, darauf zu

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