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Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift

Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift

Titel: Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elinor Lipman
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verzichten, wenn sie mit mir essen geht.«
    Ich fragte, warum er gelogen und jemand in dem Glauben gelassen habe, sein Scheck wäre geplatzt.
    »Ich hatte ihn noch nicht eingelöst, als ich sie anrief. Aber eines kannst du mir glauben: So wie ich Mary jetzt kenne, wäre er auch ohne meine Hilfe geplatzt.«
    Die Ketchupflasche zwischen Bizeps und Brustkorb geklemmt brachte die Kellnerin Rays Essen. Auf der ovalen Platte türmten sich die Art Pommes, die ich am liebsten mochte: lang und dünn und die Schale noch dran. Ohne zu fragen, nahm ich mir eins. Die Reaktion kam prompt: »Dir ist hoffentlich klar, dass es als Zeichen von Intimität gilt, wenn man sich was vom Teller eines Angehörigen des anderen Geschlechts klaut? Da«, sagte er und leerte die Hälfte der Pommes auf mein Set, »nimm dir, so viel du willst.«
    »Warum ist es ein Zeichen von Intimität, wenn man sich ein Pommes nimmt?«
    »Ist doch klar! Vom Teller eines Fremden würdest du dir nie eins nehmen.«
    »Vielleicht ein Zeichen von Vertrautheit. Oder Hunger.«
    »Wie du meinst.« Er hielt die Ketchupflasche in einem perfekten rechten Winkel und wartete geduldig, dass etwas herausfloss. »Wo war ich mit Mary und mir?«, fragte er dabei.
    »Essen gehen als Gegenleistung für einen angeblich geplatzten Scheck.«
    »Genau. Sie sagt also, dass sie am nächsten Abend mit mir was trinken gehen will. Das war ein Werktag. Ich versuche, ihr das Wochenende schmackhaft zu machen. Wir einigen uns auf Freitag, in der Nähe des Central Square, weil sie da mit der U-Bahn gut hinkommt.« Er setzte die obere Hälfte des Brötchens mit einer Drehbewegung wieder auf die untere und überprüfte, ob irgendwo etwas tropfte. »Aber halt. Der Rest ist noch lang nicht Geschichte: Sie tauchte nämlich nicht auf. Aber« - und da grinste er breit - »ich hatte nicht nur ihre Telefonnummer auf dem Scheck, sondern auch ihre Adresse. Ich steige also ins Auto und fahre hinüber zum Davis Square. Niemand da. Ich warte draußen. Gegen elf, Viertel nach, kommt sie daher. Im Wagen von jemand anderem. Das regt mich jetzt aber nicht groß auf, denn sie steigt aus, ohne sich auch nur umzudrehen. Zuallererst sieht sie meinen Porsche - mein vorletztes Auto - und dann mich, lieb und nett dagegen gelehnt. Ich sage: ›Miss Ciccarelli. Kann es sein, dass sie unsere Verabredung vergessen haben?‹«
    Er machte eine Kunstpause und biss genüsslich in seinen Hamburger, als wolle er mir Zeit geben, sein schlaues, kühnes Paarungsverhalten zu loben.
    »Ich hätte die Polizei gerufen«, sagte ich.
    »Nur, dass du die Welt nicht so kennst wie ich, Doc. Mary wusste, dass einer, der sich kleidet wie ich und einen Wagen wie den meinen hat, keiner ist, der Frauen nachstellt. So einer ist in romantischer Mission unterwegs, wie im Film, wo der Held auf sein Mädchen wartet, wenn sie k. o. und leicht gefrustet von der Arbeit heimkommt. Habe ich erwähnt, dass ich eine langstielige rote American-Beauty-Rose in der Hand hielt?«
    »Nein.«
    »Ich war zwar stocksauer, aber ich dachte mir, was soll’s? Was habe ich zu verlieren? Sie versetzt mich, also versuch ich es noch ein letztes Mal. Was, glaubst du also, passiert dann?«
    Ich fragte ihn, ob für den Fortgang seiner Erzählung tatsächlich Publikumsbeteiligung notwendig sei. Ich sagte nicht, dass sein sokratischer Ansatz mich an Visiten erinnerte, bei denen die Ärzte im Praktikum ihr Wissen herunterbeten, Antworten und Differentialdiagnosen parat haben mussten, und an mein konstantes Versagen bei solchen Stegreifübungen.
    Stattdessen neigte ich die Ketchupflasche über meine eigenen Pommes und konnte tatsächlich ein paar Tropfen zu einem Ortswechsel bewegen. Er fragte mich, ob ich ganz sicher sei, dass ich sonst nichts wollte, und ich bejahte. Ich wollte nicht, dass er die Kellnerin noch einmal rief und damit den Verzehr seines Hamburgers und das Ende dieses Abends noch weiter hinauszögerte.
    »Na gut! Diesen Teil liebe ich ganz besonders: Mary sieht mich auf dem Gehsteig. Na ja, sieht jemand auf dem Gehsteig! Es ist dunkel, wie hätte sie mich also erkennen sollen, wo sie mich doch erst einmal gesehen hat, und wo’s außerdem zu dunkel ist, um die Rose zu sehen. Sie zuckt nicht zusammen und versucht auch nicht, mir in die Augen zu schauen. Ich sage: ›Mary. Ich bin’s, Ray Russo. Wir waren am Central Square verabredet.‹ ›Scheiße‹, sagte sie, ›hat Ihnen der Barkeeper nicht ausgerichtet, dass ich arbeiten muss und es nicht schaffen werde?‹

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