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Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift

Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift

Titel: Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elinor Lipman
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hören. Groß, klein, oben, unten, heute, morgen - kein Problem.
    Leo senkte seine Stimme. »Dr. Thrift muss dringend in Dr. Kennicks Büro, um einen Brief rauszuholen, den sie versehentlich da liegen gelassen hat -«
    »Den er ursprünglich auch lesen sollte, aber jetzt habe ich es mir anders überlegt.«
    Ruben zwinkerte Leo zu.
    »Was?«, fragte ich.
    » Nada «, sagte Leo.
    »Ich hab genau gesehen, dass er gezwinkert hat.«
    Leo hielt sich eine Hand vor einen Mundwinkel, als würde er ein Geheimnis weitergeben. »Er glaubt, es geht um einen Liebesbrief.«
    Wieder zwinkerte Ruben, diesmal noch verständnissinniger.
    »Ganz bestimmt nicht«, sagte ich. »Es geht um ein Kündigungsschreiben, veranlasst durch ein sehr unglückliches Versehen im OP. Und im ersten Schrecken -«
    »- hat sie gekündigt«, unterbrach mich Leo.
    »Nicht gut«, meinte Ruben.
    »Das stimmt«, sagte Leo. »Und wir glauben jetzt, dass Kennick diesen Brief noch gar nicht gesehen hat. Niemand hat also einen Schaden davon, wenn sie ihn verschwinden lässt.«
    »Wie sieht er aus?« Ruben grub jetzt mit der rechten Hand tief in seine Hosentasche hinunter und zog sie mit mehreren Dutzend Schlüsseln wieder heraus.
    »Rechteckig«, sagte ich. »Cremefarben. Ich glaube, der Hersteller ist Crane, es sollte also ein Wasserzeichen drauf sein. Keine Adresse, keine Briefmarke, nur Dr. Kennick in Druckbuchstaben vorne draufgeschrieben. Ich hätte einen Musterumschlag von zu Hause mitnehmen sollen.«
    Wieder signalisierte mir Leo: Locker bleiben .
    Ruben zog den Stecker seines Staubsaugers aus der Steckdose. »Keine große Sache.« Und wir marschierten los.
     
    Auf keiner der Abstellflächen in Kennicks Büro war er auf den ersten Blick zu sehen. » Sie schauen. Ich rühr da gar nix an.«
    Wir tauschten die Rollen. Ruben stand Schmiere, und ich nahm seinen Staubwedel, um auf Putzfrau zu machen. Ich tastete mich die Wand entlang, bis ich die Lichtschalter fand. Dann experimentierte ich herum, bis der Tatort wieder nahezu im Dunkeln lag. Kennick musste einen freien Tag gehabt haben, denn auf seiner Anrichte stapelte sich die Post. Behutsam pirschte ich mich an den Stoß heran. Ich brachte nichts in Unordnung, sondern hob nur leicht die Ecken von dicken, in Schrumpffolie eingeschweißten Zeitschriften und von Prospekten an, die chirurgische Symposien auf tropischen Inseln verhießen. Und fand schließlich, ganz zuunterst - vergessen, verschmäht, vergraben - meine handgeschriebene Kapitulation. Mit spitzen Chirurgenfingern befreite ich den Brief und rannte auf und davon.
     
    Leo zündete die vordere Flamme unseres schmalen Gasofens an und winkte mich herbei, damit ich ihm die Opfergabe darbrachte.
    »Verbrenn dich nicht«, warnte ich ihn.
    »Eher unwahrscheinlich«, sagte er. » Du wirst dieses Ding nämlich verbrennen, und dann überlegen wir uns eine symbolische Handlung, die wir mit der Asche vornehmen können.«
    Eine runde blaue Flamme erschien. »Kleine Stufe ist genug«, mahnte ich.
    Eine Ecke fing sofort Feuer. Ich ließ den Umschlag fallen und trat darauf. Was übrig geblieben war, war zwar versengt, aber nach wie vor problemlos leserlich. »Muss ich das jetzt bis zum bitteren Ende durchziehen?«
    »Nein«, sagte Leo. »Das war genug Symbolik - wie du den Brief attackiert hast, als wäre er eine Giftschlange.«
    »Und das war jetzt eine praktische Übung für …?«
    »Kann man noch nicht sagen«, meinte Leo, »aber irgendwas Richtung ›Ein neuer Tag bricht an‹.«
    »Ich glaube, der hat ein Loch in den Boden gebrannt.«
    »Ist nur ein Schmierfleck.« Ich folgte ihm zur Spüle, wo er ein Stück Papier von der Küchenrolle abriss und befeuchtete.
    »Lass mich das machen«, sagte ich.
    Er scheuchte mich weg und machte sich an die Arbeit. Er streute Scheuerpulver auf den Fleck und blickte missbilligend auf alte Flecken.
    Im Stillen probierte ich einen Satz aus, der mir nicht geläufig war. Dann sagte ich laut: »Ich hab jetzt eine Wahnsinnslust auf Pizza.«
    Leo sah hoch. »Pizza?«
    »Ja.«
    »Ich habe selbst gerade an Pizza gedacht, keine halbe Minute ist das her.« Er deutete auf unsere Ramschschublade. »Schau mal da rein. Die Karte von Mimos Heimservice. Bestell dir, worauf du Lust hast.«
    Aus der Schublade förderte ich unter anderem Programme für akademische Feiern zutage, abgelaufene Gutscheine, Butterbrotpapier, ungeöffnete Bankauszüge, ein Durcheinander chinesischer Speisekarten und zu guter Letzt auch die von Mimo.
    »Was möchtest

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