Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift
wird.«
Als ich zu unserem Bücherregal hinübersah, quetschte Leo mir tadelnd die Schulter. »Das war ein Witz, Alice. Männer legen sich nur ungern fest. Es ist … schön mit ihr. Bis jetzt, alles in Butter. Keiner von uns beiden spricht über die Zukunft.« Sein philosophischer Tonfall bekam jetzt einen edelmütigen Beiklang. »Aber ich weiß, dass sie dich unbedingt kennen lernen möchte.«
»Tatsächlich?« Meine Stimme klang eisiger, als ich wollte.
»Du bist sauer«, sagte Leo.
Ich verschob meinen Stuhl, so dass ich außer Reichweite seiner Hände kam. »Man hätte mich schon längst kennen lernen können, wenn man gewollt hätte. Ich schlafe nur ein Zimmer weiter und benutze wahrscheinlich denselben Zahnputzbecher und dasselbe Stück Seife. Und wir sind uns in der Klinik ganz bestimmt schon mehrmals über den Weg gelaufen.« Ich hob mein Namensschild an und tippte zum Nachdruck auf mein Bild. »Dr. Alice Thrift. Gute Freundin und Hausgenossin von Leo.«
»Meredith kann nichts dafür. Ein paar Mal hätte sie sich im Krankenhaus fast schon vorgestellt, hat aber immer wieder gekniffen.«
»Man kann sich auch schwer bei jemandem vorstellen, der unsichtbar ist«, maulte ich.
»Sag so was nicht! Du bist nicht unsichtbar. Ich mag nicht, wenn du so redest.«
Als ich nicht antwortete, als ich so dasaß, die Arme verschränkt und meinen Denkapparat auf Verarbeitung der eben erhaltenen Information und der daraus folgenden Reaktion meinerseits eingestellt, konnte Leo ein Lächeln nicht unterdrücken. »Kann ich dir ein therapeutisches Ei kochen?«, zog er mich auf. »Viereinhalb Minuten maximale Wartezeit.«
Ich lehnte dankend ab. Die Pizza würde ohnehin gleich kommen.
»Wie wär’s mit etwas schwarzem Kaffee, damit du bis nach elf durchhältst?«
»Um sie kennen zu lernen?«
» Genau ! Um Meredith kennen zu lernen. Keine Ausreden mehr. Kein Hinein- und Hinausschleichen, als hätten wir was zu verbergen. Na, wie klingt das?«
Ich antwortete mit einer Souveränität, die ich von meinen gesellschaftlich versierten Eltern zwar mitbekommen, aber kaum je selbst angewandt hatte. Ich sagte, ich würde mich freuen, Meredith kennen zu lernen. Nicht heute Abend - ich sei erledigt - aber bald. Vielleicht könnten wir einmal zusammen etwas trinken gehen oder ins Planetarium, zu viert. War das nicht das angemessene Prozedere zwischen zwei Leuten, die zusammenwohnten, und ihren jeweiligen andersgeschlechtlichen Partnern? Man überprüfte seinen Terminkalender und einigte sich auf ein Datum.
13
DR. COURAGE
Dr. Kennick gab mir eine Bewährungsfrist. Ich durfte meine chirurgische Tätigkeit fortsetzen, vorausgesetzt, ich leistete mir keine - wie er es mit großem Takt zu formulieren beliebte - Thriftereien mehr.
Er ließ mich zu Hause anpiepen. Leo hörte es, schlüpfte aus dem Bett, schloss seine Zimmertür ganz vorsichtig und fing mich in der Küche ab, um mich zu präparieren: Einschlafen bei der Arbeit war Schnee von gestern. Die heutige Schlagzeile lautete: HASTINGS AUF DEM HEISSEN STUHL. Verstanden? Ich musste mit Ausdrücken wie Einschüchterung , Diskriminierung , Belästigung und Überarbeitung um mich werfen. Alles klar?
Ich zählte meine schlimmsten Befürchtungen auf: Kennick hatte den Brief trotz unserer nächtlichen Aktion zu Gesicht bekommen. Hastings hatte ihn spät in der Nacht angerufen und sich über mich ausgelassen. Wir hatten unbemerkt einen Alarm ausgelöst, der den Wachdienst veranlasst hatte, sich das Überwachungsband genauer anzusehen.
Und es dauerte nicht lange, bis ich, Kennick in einem Tweedsessel gegenübersitzend, erfuhr, dass es tatsächlich einen nächtlichen Tobsuchtsanfall am Telefon gegeben hatte. Die Forderung nach einer Bewährungsfrist hatte sich schlussendlich durchgesetzt, weil es immer noch er war, Dr. Kennick, der in seiner Abteilung die Marschrichtung vorgab. Bei der Anspielung auf die »Attacke eines Kollegen, die zu einer zügellosen und, offen gesagt, völlig unangebrachten Tirade ausgeartet war«, stieg ihm neuerlich die Zornesröte ins Gesicht.
Ich fragte, ob das gleichbedeutend wäre mit einer zweimonatigen Kündigungsfrist.
»Das hängt ganz von Ihnen ab: Wenn es keine ernsthaften Zwischenfälle mehr gibt, wird die Bewährung höchstwahrscheinlich aufgehoben. Wenn sich erkennbare Fortschritte zeigen, wird man Ihnen mehr Verantwortung übertragen. Wenn es keine Fortschritte gibt, wird man sich zusammensetzen müssen und die Risiken abwägen, die Sie für die
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