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Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift

Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift

Titel: Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elinor Lipman
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tatsächlich eintrat, traf es mich völlig unvorbereitet: Gerade hatte ich noch durchaus angenehme körperliche Empfindungen verspürt, und mit einem Mal war ich nicht mehr ich selbst. Mit anderen Worten: In meiner ersten Nacht im Nordturm gab ich Laute von mir, die meine neuen Nachbarn entweder in Panik oder in Raserei hätten versetzen können.
    »War das, was ich glaube, dass es war?«, fragte Ray, nachdem meine Symptome im wahrsten Sinne des Wortes abgeklungen und seine eigenen abgeebbt waren.
    Ich nickte und brachte nur »Meine Güte« hervor, bis ich endlich wieder zu Atem kam.
    »Kuck, wie du aussiehst«, sagte er, »puterrot, klatschnass und mit einem Grinsen von einem Ohr bis zum anderen.«
    »Ich bezweifle, dass das voll und ganz der Wahrheit entspricht.«
    »Na, dann muss ich es aussprechen: Wow! Da liege ich wie ein Häufchen Elend auf dem Boden in deinem Badezimmer, und hast du’s nicht gesehen...« Er gestikulierte - ruderte mit den Armen, klammerte mit den Beinen, flatterte mit den Händen.
    »Was?«, fragte ich. »Hast du was nicht gesehen?«
    Er wurde ernst, ungewöhnlich ernst sogar, und strich mir mit dem Handrücken übers Gesicht. »Was hier passiert ist. Mit dir, mit mir, mit uns. Mein Schwanz, deine Möse, das Feuerwerk um uns herum … Muss ich es dir buchstabieren?«
    Ich verneinte. Ich hatte in unzähligen Vorlesungen zum Thema sexuelle Reaktion gesessen. Ich griff nach Blutdruckmanschette und Stethoskop und machte ihm Zeichen, mir den Oberarm hinzustrecken. Nach der angemessenen Zeit verkündete ich: »Hundertzehn zu siebzig. Perfekt. Du brauchst dir keine Gedanken zu machen, der Inbetriebnahme eines Kraftfahrzeugs steht nichts im Wege.«
    »Wer will ein Kraftfahrzeug in Betrieb nehmen?«
    Ich erinnerte ihn daran, dass seine Parkzeit um Mitternacht ablief und ich meines Schlafes bedurfte, von dem ich ohnehin schon einiges abgeknapst hatte.
    »Das kann ich schon auswendig«, war Rays Antwort. »Du bist fix und fertig. Das erzählst du mir jedes Mal, wenn wir uns sehen. Aber das ist Schnee von gestern. Heut Abend ist hier etwas wirklich Wichtiges passiert. Vielleicht bin ich ja altmodisch, aber für mich ist Sex nicht etwas zwischen Tür und Angel.«
    Das erinnerte mich an Mary Ciccarelli und beiläufigen Sex par excellence, innerhalb einer Stunde, nachdem sie und Ray sich kennen gelernt hatten. »Daraus muss man jetzt aber keine große Sache mit übertriebenen Gefühlen machen. Mir reichen gelegentliche Freizeitbegegnungen durchaus.«
    »Das glaub ich dir aufs Wort!«
    Ich stopfte mir die ausgefranste Steppdecke fest unter die Achseln, bevor ich sagte: »Ray? Ich möchte dich etwas fragen, und ich möchte eine ehrliche Antwort: Hattest du wirklich einen Schwächeanfall oder war das ein Trick?«
    »Ein Trick? Ob ich das getürkt hab? Ich schwöre bei Gott, Doc. Grade hatte ich meinen Hintern noch auf dem Klo, und im nächsten Moment auf dem Fußboden. Zuerst wusste ich gar nicht, wo ich war, dann ist es mir wieder eingefallen, deshalb habe ich dich gerufen. Vielleicht hat Gott uns auf diese Weise auf dieselbe Seite bringen wollen.«
    Ich fragte, was er damit meine - »auf dieselbe Seite bringen«.
    »Uns zusammenbringen. Dafür sorgen, dass du mehr in mir siehst als den Typen, der’s einfach nicht lassen kann. Was ich damit sagen will, ist, vielleicht hat Gott mir diesen Notfall im Adamskostüm beschert, um mich auf deinem Radar sichtbar werden zu lassen.«
    Ich fragte ihn, ob er wirklich glaube, dass Gott sich angesichts der Millionen und Milliarden von Kranken und Sterbenden in seinem Zuständigkeitsbereich mit dem Sozialleben von Leuten wie uns beiden abgäbe.
    »Guter Einwand«, gab Ray zu. »Das war natürlich bildlich gesprochen. Ich komme aus einer religiösen Familie. Bei uns dankte man Gott für alles Gute, egal wie winzig.«
    »Ich verstehe diese Haltung«, sagte ich höflich, und ich verstand sie wirklich, dank Leo. Der hatte mir nämlich nach dem Abendessen bei ihm zu Hause auseinandergesetzt, dass meine wissenschaftlich geprägte, areligiöse, angelesene Einstellung zu Leben und Tod wie Ketzerei klang in den Ohren seiner Mutter, deren Glaubensgebäude sich zusammenfassen ließ in dem Satz »Er hält die ganze Welt in seiner Hand.«
    »Glaubst du an Gott?«, fragte Ray.
    »Ich glaube an die Wissenschaft. Da könnte man nun argumentieren, dass der Glaube an die Wissenschaft gleichbedeutend sei mit Glauben an Ordnung. Und der Schöpfer dieser Ordnung könnte wiederum eine

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