Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift
etwas in der Art von: Wie soll’s jetzt weitergehen?«
Er antwortete nicht, aber ich hörte deutlich, wie sich eine Hand über die Sprechmuschel schob. Jenseits der Hand fand eine Unterhaltung statt, die ich nicht verstehen konnte.
Eine Frauenstimme sagte: »Alice? Hier ist Henrys Hausgenossin, Jackie. Vom Büro. Kann ich Ihnen irgendwie helfen?«
»Hausgenossin?«
»Langzeitgefährtin? Freundin? Aber Sie können mir ruhig glauben, das ist jetzt nicht der neueste Knüller. Wir wohnen zusammen, seit wir uns haben scheiden lassen, jeder von jemand anderem. Das ist bestimmt schon hundert Jahre her. Lang vor der Zeit, zu der Chefs nichts mit ihren Sekretärinnen anfangen durften.«
»Es ist mir wirklich peinlich, Sie jetzt anzurufen, als seien Sie eine telefonische Partnerberatung.«
Jackie lachte. »Sie sind nicht die erste todunglückliche Jungärztin, die außerhalb der Sprechzeiten anruft und Henry ihr Herz ausschüttet. Da schlägt dann meine Stunde. Wenn’s persönlich wird, reicht er mir den Hörer weiter. Sie müssen das Thema Sex angeschnitten haben, davon kriegt er notorisch Muffensausen.«
»Ich auch.«
»Worüber machen Sie sich Sorgen?«, fragte sie in bestimmtem Ton.
So genau wusste ich das auch nicht, deshalb griff ich zu einer leichten Übertreibung. »Ich mache mir Sorgen, dass der Mann, mit dem ich gestern Abend geschlafen habe, jetzt denkt, dass wir verlobt sind.«
»Glauben Sie mir«, sagte Jackie, »kein Mann in Amerika glaubt, dass Geschlechtsverkehr gleichbedeutend sei mit einem Heiratsantrag. Schon seit zweihundert Jahren nicht mehr. Mindestens.«
»Er ist Witwer und hat aus Pietätsgründen ein Jahr lang enthaltsam gelebt. Das war also schon ein einschneidendes Ereignis. Er hat es selbst gesagt. Ich bin nur ein wenig durcheinander, weil man das, was sich zwischen uns abgespielt hat, gemeinhin wahrscheinlich als fantastischen Sex bezeichnet.«
»Und ist das ein Problem?«
»Auf den ersten Blick nicht. Aber es ist so ziemlich das Einzige, was für ihn spricht.«
»Versuchen Sie’s mit fünfundzwanzig Worten oder weniger.«
Ich fasste zusammen: Vertreter, schlechte Grammatik, grober Klotz, Geheimnummer, Macho-Gang; unübersehbar beeindruckt von meinem Doktortitel, benutzt aber selbst höchst unanatomische Bezeichnungen für verschiedene Körperteile.
»Wenig einnehmendes Äußeres und Vertreter sind nicht unbedingt fatale Fehler.«
»Das weiß ich.«
»Etwas in Ihrer Stimme klingt nämlich so, als bräuchten Sie eine Erlaubnis, um sich in einen Mann zu verlieben, der eventuell nicht der Vorstellung Ihrer Eltern vom idealen Schwiegersohn entspricht.«
Dagegen erhob ich Einspruch. Erfolgreiche sexuelle Vereinigung sei eine Sache, doch von Verlieben könne nicht die Rede sein, speziell nicht in Ray Russo.
»Wenn Henry nicht zuhören würde«, teilte Jackie mir im Vertrauen mit, »würde ich Ihnen jetzt von dem einen oder anderen Jugendschwarm erzählen, der mich an der Straßenecke abholen musste, weil er sich im näheren Umkreis meines Elternhauses nicht blicken lassen durfte.«
»Ray ist einsam. Ich hab schon von mehreren Seiten gehört, dass Männer, die einmal verheiratet waren, über ihre Lebenserwartung genau Bescheid wissen und so schnell wie möglich wieder heiraten wollen.«
»Ich nehme aber stark an, dass er niemanden heiraten will, den er nicht liebt, Lebenserwartung hin oder her.«
»Wenn Sie ihn kennen würden, würden Sie meine Skrupel verstehen.«
»Schlechte Grammatik ist auch kein fataler Fehler. Und was den Macho-Gang betrifft, möchte ich noch einmal meine Schülerromanzen anführen. Vielleicht machen Sie ja gerade eine Phase verzögerter jugendlicher Rebellion durch und gehen deshalb mit Jungs aus, die keine Aussichten haben, es jemals auf eine Uni zu schaffen.«
»Sie denken bestimmt, ich sei ein hoffnungsloser Fall, ohne Freunde, gesunden Menschenverstand und Durchblick.«
»Unsinn. Mir macht das großen Spaß. Wann bekommt man denn schon die Gelegenheit, einen tatsächlich verlangten Rat zu erteilen? Hier ist er: Lassen Sie der Natur ihren Lauf. Reden Sie sich nichts aus. Geben Sie ihm eine Chance. Verstecken Sie ihn, wenn Sie glauben, er kommt bei anderen nicht an. Wenn Ihre Zweifel anhalten - und ich meine richtige Zweifel, nicht die, die Sie von anderen übernommen haben -, können Sie immer noch Schluss machen.«
Abermals hörte ich undeutlich, dass die beiden sich unterhielten, dann war wieder Henrys Stimme am Telefon. »Jackie will Sie kennen
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