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Der dreizehnte Apostel

Der dreizehnte Apostel

Titel: Der dreizehnte Apostel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilton Barnhardt
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beobachtest.«
    »Lesen Sie noch ein wenig weiter, Schwester«, bat der Rabbi. »Da nahm Paulus die Männer an sich, weihte sich mit ihnen und ging tags darauf in den Tempel. Dort meldete er das Ende der Weihezeit an, an dem für jeden von ihnen das Opfer dargebracht werden sollte.« Der Rabbi unterbrach an dieser Stelle: »Das ist eine Reini gungszeremonie der Nazaräer. Zurück zu Buch Numeri, 6,18: Dann schere der Nazaräer am Eingang des Of fenbarungszeltes sein geweihtes Haupt, nehme sein geweihtes Haupthaar und übergebe es dem Feuer, welches unter dem Gemeinschaftsopfer brennt. Verstehen Sie, was ich meine?«
    »Eine unbequeme Tatsache für Sie, Rabbi«, bemerkte Pater Basilios. »Die Nazaräer verboten jeglichen Alkohol. Führte der Prophet Amos die Nazaräer zu seiner Zeit nicht mit Wein in Versuchung? Wie erklären Sie, was Paulus im 1. Brief an Timotheus geschrieben hat: Trinke nicht ausschließlich Wasser, sondern genieße deines Magens und deiner häufigen Schwächeanfälle wegen ein wenig Wein? Beim Letzten Abendmahl gab es Wein, Jesus verwandelte Wasser in Wein … et cetera.« Der Rabbi lächelte. »Paulus ist nicht der Verfasser des 1. Timotheusbriefes; und das Letzte Abendmahl halte ich für eine Erfindung des 3. Jahrhunderts – erinnern Sie sich, es taucht nicht einmal in Ihrem Johannesevangelium auf. Der Wasser-inWein-Verwandlungstrick wird bei Markus, Matthäus oder Lukas nicht erwähnt, also ist er jüngeren Datums, und auf jeden Fall durften Nazaräer Wein trinken, wenn sie nicht gerade in der Weihezeit waren.«
    »Aber angenommen«, begann Pater Beaufoix, »Johannes, Jesus und Paulus kamen ursprünglich tatsächlich aus einer Sekte namens Nazaräer. Was beweist das?«
    »Es beweist«, antwortete der Rabbi frohgelaunt, »daß der historische Jesus und die christliche Kirche in Jerusalem nie beabsichtigten, das Judentum über Bord zu werfen; vielmehr wollten sie Nichtjuden aufklären, wie sie es für ihre Mission hielten. Das Gesetz sollte niemals aufgegeben werden. In Matthäus 5,17 und 18 heißt es«, zitierte er: »Meinet nicht, ich sei gekommen, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen. Denn wahrlich, ich sage euch: Bis Himmel und Erde vergehen,
    wird nicht ein Jota oder Häkchen vom Gesetze vergehen …
    Das geistliche Wirken Jesu richtete sich hauptsächlich an Juden, wie die bekannte Stelle in Matthäus 10,5 beweist. Jesus sendet seine Jünger aus mit den Worten: Geht nicht auf den Weg zu den Heiden, und betretet auch keine Stadt der Samariter. Geht vielmehr zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel.« Der Vikar widersprach: »Das war nur eine Phase der geistlichen Tätigkeit. Später befahl Jesus seinen Anhängern, hinaus in die Welt zu gehen.«
    »Ja, in diesen erdichteten Auferstehungspassagen, die ich nie für echt gehalten habe. Wie erklären Sie, daß die zwölf Apostel nach Jesu Tod nicht vor den Heiden predigen? Jakobus besucht immer noch die Synagoge, nicht wahr? Paddy, irre ich mich da? Lies die Reaktion der Apostel aus Lukas vor, nachdem Jesus in den Himmel aufgefahren ist!« Dr. O’Hanrahan blätterte zum Ende des Lukasevangeliums: »Sie warfen sich anbetend vor ihm nieder und kehrten in großer Freude nach Jerusalem zurück. Die ganze Zeit blieben sie im Tempel und priesen Gott.« Der Rabbi sah zufrieden drein. »Das klingt doch nicht nach einer Gruppe, die gegen das Gesetz rebelliert. Aber dann geht Paulus auf Reisen und fängt an, Visionen zu haben. Paulus nimmt sich diese ultra-schrifttreue Sekte vor und verwandelt sie in eine neue Weltreligion: Paulus ist es, der das Christentum erfindet.« Dr. O’Hanrahan pflichtete bei: »Und die Kirche von Jerusalem, die dem historischen Jesus am nächsten stand, hasste Paulus dafür. Ja, laut Apostelgeschichte schlossen Petrus und Paulus Frieden, aber bis ins 4. Jahrhundert gab es eine jüdische Jesus-Kultgemeinde, die Ebioniten, die Paulus ablehnten und der Ansicht waren, er habe alles ruiniert. Erinnern Sie sich an die Brocken aus anti-paulinischen Texten, die Clemens zitiert?«
    »Vor allem die Erörterung des Epiphanias über die Korinther«, meldete sich Pater Beaufoix unaufgefordert zu Wort.
    Lucy beobachtete, wie Dr. O’Hanrahan den Dominikaner anfunkelte. »Dreihundert Jahre lang«, fuhr der Rabbi fort, »bis zur Einführung einer Kirche, die Kaiser Konstantins Gestapo zur Verfügung hatte, um die Konkurrenz zu unterdrücken, ist die frühchristliche Kirche geteilter Meinung über Paulus, da die jüdischen Christen ihn

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