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Der dreizehnte Apostel

Der dreizehnte Apostel

Titel: Der dreizehnte Apostel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilton Barnhardt
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sie oft, »aber um Gottes willen, schütte nicht deine ganze dir von Gott geschenkte Begabung in den Rinnstein.«
    (Und sie hat die Wahrheit gesprochen.)
    Beatrice ist auf vielen Sachen herumgeritten, aber dieser Überzeugung ist sie treu geblieben. Daß ich großes Talent habe – nie hat sie mich mit diesen anderen Idioten am Fachbereich verglichen; nie hat sie meine geistigen Fähigkeiten verspottet. Sie drängte mich immer, meine Gedanken niederzuschreiben, einen Aufsatz, einen Zeitschriftenartikel oder eines Tages ein Buch mit Essays zu verfassen. » Lasse mich wieder stolz auf dich sein«, sagte sie. In einem unserer entspannteren Momente sagte sie einmal: »Das ist das Problem. Weil du geredet hast wie ein Buch, habe ich mich in dich verliebt, weißt du.« Und ich verzapfte einen Haufen Schmeicheleien, überredete sie zu zwanzig Jahren Elend mit einem betrunkenen, nichtsnutzigen, unverbesserlichen alten Scheißiren, aus dem etwas hätte werden können, wenn er nur
    dankbar für seine Gaben gewesen wäre!
    (So viele Gaben.)
    Wie oft habe ich meinen Schritt vom goldenen Pfad abgewandt – kaum war es einmal gut, habe ich es auch schon wieder versaut, weil ich meinte, mich
    selbst austricksen zu können, und ich sage dir, Beatrice, mein Schatz, hättest du mir nur die Absolution erteilen können, bevor du von mir gegangen bist, dann hätte ich tun können, was ich dir versprochen habe. Ich sollte einmal Homer und Vergil die Treue halten, ich sollte das Pantheon pflegen, in dem die verlorenen Worte erneut zum Sprechen gebracht würden! Und jetzt bin ich erledigt, Liebling. Ich mache Witze über Fr auen mit großen Titten, gebe Ge schichten zum besten, die ich schon hundertmal erzählt habe; ich bin ein vulgärer Typ, der auf Cocktailpartys den Gotteslästerer spielt. Ach, Beatrice, wenn du nur wiederkommen und mich noch einmal in dein Gesicht sehen lassen könntest, würde ich mich emporschwingen! Du würdest mich zu meinen Höhen führen …
    (Patrick, du weißt nicht, was dir noch bevorsteht. Und auch Lucy weiß es nicht. O Meine Kinder, so vieles, womit ihr nicht gerechnet habt.)
     
     
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    Wenn ich wieder einmal nach Griechenland komme, dachte Lucy und ließ die Hand über die Reling gleiten, während sie das Deck entlangging, werde ich Stavros anrufen, um ihn noch einmal zu sehen – zu sehen, ob er erwachsen geworden ist und vielleicht eine weniger übermütige, reifere Beziehung angefangen hat. Ich liebe ihn eigentlich nicht, sagte sie zu sich selbst, aber ich liebe das, was geschehen ist, und er ist ein Teil davon. »Hallo«, rief der Gepäckjunge mit dem hübschen Gesicht in seiner gebügelten weißen Uniform und winkte ihr, als er irgendwelche Koffer auf das obere Deck schleppte.
    »Jasou«, erwiderte Lucy und brachte ihn mit ihrer bemühten Aussprache zum Lachen.
    Männer sind gar nicht so unmöglich zu haben oder schwer zu bekommen. Sie sind viel einfacher, als ich gedacht habe, dachte sie bei sich, viel weniger kompliziert und unnachgiebig. Du lieber Himmel, diesen gerade fünfzehnjährigen Gepäckjungen könnte sie haben.
    (Ein bisschen jung für dich.)
    Nein, natürlich werde ich ihn nicht verführen, aber so etwas kann man tun, nicht wahr? Ein sachter Kuss , eine Einladung in ihr Zimmer, wenn er seinen Dienst beendet hätte. Ich wäre die ältere, reiche amerikanische Abenteurerin, und er würde sich selbst damit schmeicheln, daß er dieses Ereignis seinen Freunden noch jahrelang erzählte. Ich könnte aus einer Laune heraus den Verlauf seines Lebens ändern, wenn ich wollte; ich könnte ein Trauma bei ihm hinterlassen … oder ich könnte ihn verführen und nach seiner Adresse fragen und ihm jahrelang Liebesbriefe schreiben und mich wieder mit ihm treffen. Tatsächlich könnte ich mit minimaler Anstrengung seine Zukunft verändern, dem griechischen Mädchen, das ihn geheiratet hätte, ihr Schicksal rauben, vielleicht die Geschichte der Mittelmeerländer verändern. Alles aus der Laune eines Abends heraus. Ich habe nie gewusst , daß Menschen solche Macht haben.
    (Allen freien Willen der Welt.)
    Und ich verstehe jetzt, dachte Lucy, wie leicht es wäre, sich mit Menschen einzulassen, seine Macht über sie zu missbrauchen , sein Spiel mit ihnen zu treiben und sie zu verletzen. So wie Stavros sein Spiel mit mir getrieben hat. Obwohl ich glaube, daß er mich gemocht hat, wenn man seine Million von Frauen, die er angeblich gehabt hat, einmal beiseite lässt .
    Vielleicht werde ich ihm doch

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