Der dreizehnte Apostel
würde ich mein Leben beenden. Bis Mordechai anrief und mir von dem Gerücht erzählte!
Das Matthäusevangelium war auf dem Schwarzmarkt
– nein, Paddy, fang noch nicht an zu zappeln, es ist nur ein Gerücht, aber vielleicht, vielleicht ist es wahr … Ja, die verlockende Entdeckung, von der wir in unseren Zwanzigern nur gehört hatten, die Rabbi Rosen, Gott segne seine Seele, durch die Finger geschlüpft ist; die Dupont-Sommer, Albright und Quispel und manch anderem großen Gelehrten, der sie gesucht hat, durch die Finger geschlüpft ist. Aber vielleicht gibt es jetzt eine Chance? Eine Chance, daß Paddy O’Hanrahan und Mordechai Hersch, diese beiden alten Halunken, Erfolg haben könnten, wo andere seit 1900 Jahren gescheitert waren?
Und natürlich, Paddy, hatte Rabbi Hersch im letzten Dezember behauptet, du seist der einzige Mensch, der das Ding übersetzen kann. Nicht Pater Beaufoix? hatte O’Hanrahan vorgeschlagen. Weißt du, Morey, er ist sehr gut, wenn es um afrikanische Sprachen geht … Weißt du noch? Fast hättest du es verpatzt! Für einen Augenblick hast du die Sicherheit deines Lebens im Grab vorgezogen, vor dem Kabel fernseher und dem Radio mit den Oldies – die weichen Innenwände des Sarges! Aber am selben Abend noch hast du Morey zurückgerufen, ihn aufgeweckt und ja gesagt: O Gott, ja, ich bin dabei!
Da gab es keine Diskussion mehr, nicht wahr? Auch wenn es bedeutete, das Haus zu verkaufen, alles Ersparte abzuheben, dir die Versicherungen auszahlen zu lassen – diese ganzen Versicherungsprämien, die du für nichts und wieder nichts bezahlt hat-test, seit du denken konntest! Glaubst du, ich will in einem Krankenhaus sterben? Glaubt die Welt vielleicht, ich würde diese Leere von Ärzten verlängern lassen, wenn ich todkrank wäre? Ich würde mich hinlegen und trinken, bis das Leben zu Ende wäre. Ja, Sir, in der altehrwürdigen Familientradition. Also schmink dir die Zusatz-Krankenversicherung ab, Mann. Keine Erben, die von der Versicherung profitieren würden. Also habe ich mir natürlich alles auszahlen lassen! Dafür, Herr, für diese wundervolle Fahrt durch die Wüste, für das Leben, vor dem ich blöderweise davongerannt bin!
Denn das war mein größtes Vergehen gegen dich, weißt du: daß ich von dem Pfad abgewichen bin, der für mich vorbereitet war. Der Allmächtige hatte sozusagen blitzende Neonschilder und blinkende Pfeile für mich aufgebaut! Aber nein, nein, nein, ich habe auf die Dschinns gehört! Ich habe das aufgegeben, was ich am meisten geliebt habe – das Leben eines abenteuerlustigen, umherstreifenden, die Welt bereisenden Gelehrten! Vierzig Jahre lang bin ich den falschen Wegweisern gefolgt und habe falsche Entscheidungen getroffen; vierzig Jahre voller falsch gelebter, verfehlter, verpatzter Augenblicke. Aber nun wird alles wiedergutgemacht.
(Und wenn du zurück nach Hause musst ?)
Gut, das ist eine ernüchternde Möglichkeit. Vermutlich würde ich auf der Straße leben. Ich würde mich in das Heer der Obdachlosen einreihen, mir ein geschütztes Plätzchen suchen, mich vom Wind die Straße entlangtreiben lassen wie die Fetzen von Groß stadtmüll, leben wie die Eremiten in den alten Zeiten, ohne etwas zu essen, ohne Ruhe zu finden … Wie quälend dieses Schicksal mir zuflüstert, es sei das meine – mit der Stimme meines Vaters, der vorhersah, daß ich sein Versagen wiederholen könnte, mit der keifenden Stimme von Beatrice, die sagte, daß ich so enden werde, mit der Stimme meiner Schwester Catherine. Und ich sehe das anscheinend völlig ein, gehe resigniert darauf zu, sehe schon die Straße und die Flasche und den zerlumpten Mantel meines Schicksals vor mir. Zusammen mit den anderen Trunkenbolden und alten Männern, die ihre Pension durchgebracht haben oder länger leben, als die Pension reichte, oder die einfach bedauerliche ältere Leute waren … Wie vertraut nähern sich meine Gedanken dieser Horrorvorstellung: daß sie es vielleicht sind, zu denen ich gehöre, sie, meine wahren akademischen Kollegen und meinesgleichen.
»Delgo«, sagte Mohammed und forderte O’Hanrahan mit einem leichten Klaps auf die Schulter auf, nach vorn zu sehen.
Ja, im verblassenden Licht lag Delgo, der seltsamste Ort, den man sich vorstellen kann: ein nubischer Truckstop. Vierzig Fahrzeuge, alles Bedford-Lastwagen, standen auf einem Parkplatz um Feuerstellen herum, an denen gekocht wurde. Es gab auch ein paar richtige Häuser, eine Pension am Nilufer, eine Polizeiwache, eine
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