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Der dreizehnte Apostel

Der dreizehnte Apostel

Titel: Der dreizehnte Apostel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilton Barnhardt
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darin aussah, schlank wie die Jungen, und hatte sie anbehalten, obwohl man ihr geraten hatte, sich etwas Wärmeres zu holen. Onkel Liam machte einen Scheiterhaufen aus altem Holz und Abfall und goss willkürlich Kerosin darüber, das so berauschend roch, und alle Dantan- Sprösslinge hüpften aufgeregt herum, wenn Onkel Liam sich dem Scheiterhaufen mit einem angezündeten Streichholz näherte … Nein, diesmal hatte es noch nicht Feuer gefangen. Während die Mädchen kreischten und auf den Vesuvausbruch warteten, versuchte er es noch einmal … manchmal zündete Onkel Liam auch ein Stück Papier an, und alle warteten, bis das ganze Freudenfeuer aufloderte. Aber dann löschte der Wind es wieder aus …
    Und irgendwann hatten der Vater und Onkel Liam einen typisch irischen Familienkrach, über irgendetwas Politisches, irgend eine unversöhnliche Auseinandersetzung. Von da an waren Onkel Liam und seine Familie für sie gestorben gewesen, und wenn die Kinder zu sehr quengelten, daß sie wieder einmal zu Onkel Liam auf seine Farm wollten, gab es beim Abendessen einen Krach. Lucys Gedanken wurden bitter. Was für einen dummen, grundlosen Streit hatte ihr Vater da bloß vom Zaun gebrochen, der so ausuferte, daß dieser ganze Zweig der Familie abgeschnitten wurde, daß diese Gemeinschaft zerstört wurde?
    Klar, gut, auf irische Art würde es wohl so enden, daß einer der Männer Krebs hatte, und dann würde eine tränenreiche Wiedervereinigung stattfinden, ein Händedruck, eine sentimentale Familienfeier mit viel irischem Whisky. Aber das ist nicht gut genug, Dad, mir nützt das gar nichts mehr. Was ist mit den bärenhaften Umarmungen von Sean und Danny oder mit diesen ganzen Freudenfeuern, die mir entgangen sind, weil du dein blödes Gezänk und dein irisches Melodram haben musstest ? Lucy lächelte. Ja, Dr. O’Hanrahan erinnerte sie irgendwie an Onkel Liam. Es hatte eine Weile gedauert, bis ihr das bewusst geworden war, aber die beiden hatten dieselbe Knollennase und dasselbe Silberhaar. Kein Wunder, daß sie sich gerade jetzt an all das erinnert hatte – im Feuerschein war diese Ähnlichkeit noch deutlicher sichtbar.
    »Damals in Korea«, begann O’Hanrahan, »zehn Meilen südlich vom 38. Breitengrad – sagt Ihnen das was?«
    »Ich fürchte, nicht.«
    »General Mac Arthur, Harry Truman – schon einmal von denen gehört?«
    Lucy stellte sich dumm. »Die haben in den fünfziger Jahren ein paar On the Road-Filme gedreht, nicht wahr?«
    »Hehe, nahe dran. Egal, die Engländer waren da, jede Menge von englischen Verwundeten. Ich mag die Engländer, weil ich sie in Kriegszeiten gesehen habe, und da haben sie sich tapfer geschlagen. Ihre
    Armee und die Offiziere sind außerdem sehr gebildet, Gelehrter und Soldat und so weiter. Zumindest war das damals so.«
    »Von Korea wollten Sie erzählen.«
    »Wie üblich hatten sie eine prima Truppe aus ihren Kolonien zusammengestellt. Inder, Pakistanis, Burmesen, Australier – die ganze Großfamilie. Gott, die Gurkhas waren, nach den Türken, die am meisten gefürchteten Krieger. Amerikanische Soldaten sind zufällig über einen Stützpunkt der Chinesen gestolpert, wo zuvor die Türken gewesen waren …« Lucy lächelte den Professor an, der weitschweifig erzählte. Eine Menge vom Leben hat er gesehen, dachte sie neidisch. Aber sie auch – in diesem Sommer.
    » … und da war ein Perser, der jeden Abend über das Feuer gewacht hat. Jeden Abend, wenn ich vom Krankenhaus zurückkam, saß er da, und ich hatte den Verdacht, daß da etwas Rassistisches im Busch war, der arme Bursche aus dem Nahen Osten, der sich für die Weißen um das Feuer kümmern musste . Aber dann stellte sich heraus, daß er ein Zoroaster, ein Anhänger Zarathustras, war.«
    Lucy rutschte näher und lehnte sich gegen die Kiste, auf der O’Hanrahan saß. Wie hypnotisiert starrte sie in die Glut.
    »Und Zoroaster glauben, daß das Feuer etwas Heiliges ist«, fuhr der Professor fort. »Es ist auch geheimnisvoll, meinen Sie nicht?« Lucy nickte.
    »Der Kern der Erde besteht aus Feuer, wie die Perser wussten ; die Sterne über uns sind Feuer, Gott ist Licht, und unsere Seele ist ein Feuer, das in uns brennt. Nein, die Zoroaster würden niemals ein Feuer löschen – für sie ist das Ketzerei, eine Unterbrechung der Gemeinschaft mit Gottes Segen, dem Geschenk der hellen Flamme. Ein Feuer muss von selbst verlöschen, zum Zeitpunkt, den Gott selbst bestimmt.«
    »Und dieser Soldat …« »Dieser Soldat blieb jeden Abend

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