Der dreizehnte Apostel
O’Hanrahan.
»Reverend Bullins ist ein Mann Gottes, Patrick«, antwortete Colonel Westin schlicht.
Alle vier sahen zu, wie das Flugzeug in der Park-position anhielt; Oktave um Oktave ebbte der schrille Maschinenlärm ab. »Auf Prime Time habe ich gesehen, daß Reverend Bullins ein steuerfreies Privatvermögen von hundert Millionen Dollar hat und daß der International Revenue Service hinter ihm her ist«, knurrte O’Hanrahan. »Ganz zu schweigen von der Interstate Commerce Commission, die seine religiösen Produkte überprüft, und von der Post, die wegen Portobetrugs ermittelt.«
»Wirklich bedauerlich«, seufzte der Colonel und starrte stur geradeaus. »Wir hatten eigentlich immer Leute, auf die wir uns verlassen konnten«, stotterte Thorn. »Sie können darauf wetten, daß Präsident Reagan der IRS nicht erlaubt hätte …«
Colonel Westin brachte seinen Assistenten mit einer Kopfbewegung zum Schweigen.
O’Hanrahan lachte. »Ah, genau. Die Regierung vom guten alten Onkel Ronnie lässt diesen TV-Bibeleiferern sogar einen Mord durchgehen, natürlich mit einer dicken Spende als Gegenleistung.« O’Hanrahan hoffte, mit weiteren Fragen auch ein paar Antworten zu bekommen: »Was wollen Sie um Himmels willen mit einer alten Schriftrolle anfangen, Colonel?«
»Es geht natürlich nicht um irgendeine alte Schriftrolle.« Colonel Westin lehnte sich zurück, sein Gesichtsausdruck verriet den anmaßenden Soldaten. »Und jetzt ist auch noch nicht die Zeit für Erklärungen. Formulieren wir es so: Diese Phase unseres Auftrags ist praktisch beendet. Es handelt sich gewissermaßen um eine doppelte Operation, die zweite Hälfte ist sozusagen noch in der Entwicklung und geheim …«
»Der Flug des Adlers«, riet O’Hanrahan, der sich daran erinnerte, daß der Rabbi in Jerusalem nach diesem Begriff gefragt hatte. Colonel Westin ging nicht direkt darauf ein. »Wir werden Sie verhören müssen, Patrick, wie Sie zu dieser Information gekommen sind.« Da O’Hanrahan keine Lust auf ein Folterver hör dritten Grades hatte, erklärte er, Rabbi Hersch habe ihn nach diesem Begriff gefragt, nachdem er selbst von Agenten des Mossad verhört worden sei.
»Notieren Sie das, Thorn«, sagte Colonel Westin. »Der Mossad kann immer noch lästig werden, obwohl wir dachten, wir hätten sie – äh – bei der Durchführung neutralisiert.« Lucy bemerkte, daß O’Hanrahan blasser geworden war. »Warten Sie eine Minute«, sagte er. »Hat das etwas mit dem Irak zu tun? Der Adler, der geflügelte Löwe Babylons im Buch Daniel.«
»Ich kann nur sagen, Professor, daß alle Ereignisse, wenn auch unerwartet, mit unserem Zeitplan übereinzustimmen scheinen. Seit der Krieg zwischen dem Iran und dem Irak vor zwei Jahren beendet war, haben wir Saddam Husseins Waffenlager regelmäßig
mit Munition aufgefüll t – sobald wir festgestellt hat ten, wer er wirklich ist.«
»Wer er wirklich ist?« stammelte Lucy.
»Hat der CIA beim Einmarsch des Irak in Kuwait die Finger im Spiel? Bei Gott, ich hoffe, das ist nicht der Fall, denn wenn das wahr ist, werde ich Sie und Ihre Leute vor einen Senatsausschuß bringen, und zwar schneller, als Sie Admiral Poindexter sagen können!«
»Wir haben Poindexter bei dieser Sache nie zu Gesicht bekommen«, fauchte Colonel Westin wenig überzeugend. »Und was den Einmarsch in Kuwait betrifft, war der Plan eigentlich … Ich meine, wir hat ten uns vorgestellt, daß er Israel angreifen werde. Vielleicht ist Kuwait nur eine Ablenkung vor dem großen Vorstoß in das Taljizraels. Tel Aviv ausschalten, Haifa unbewacht an der Nordgrenze zu Syrien, im Süden die West Bank und der Gazastreifen, den die Araber nehmen … Teile und herrsche!«
Ungläubig fragte O’Hanrahan: »Armageddon? Wie es in der Johannesoffenbarung geschrieben steht.« Eine verschwommene Mischung aus biblischer Apokalypse und Operationen des Geheimdiensts. »Und was hat ein alter Gauner wie Reverend Bullins mit dem Ganzen zu tun?«
Thorn protestierte. »Sie kennen Farley Bullins nicht so wie wir, sonst würden Sie keine so unflätigen Anschuldigungen erheben.«
Lucy und O’Hanrahan erstarrten, als sie den Vornamen des Fernsehpredigers hörten: Farley. Lucy presste die Hand auf die Stirn. »Colonel«, stammelte sie, »Reverend Bullins’ Familie …«
»Prächtige Leute, wirklich.«
»Jeder kennt Lila Mae Bullins«, lächelte Thorn.
Lila Mae Bullins, eines der liebsten Zielobjekte des National Enquirer und des Magazins People. Eine Harpyie Ende
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