Der dritte Berg
Budapester-Schuhe kontrastieren mit Jeans und einem groben Baumwollhemd.
Ich beobachte, wie Maettgen beginnt, auf meinen Freund einzureden (gedämpfte Laute schaffen es bis zu mir nach draußen). Christian würdigt ihn keines Blickes. Nicht auszudenken, wenn er von Maggies Tod erfährt.
Ein dumpfes Schnappen jetzt. Dann eine weißgelbe Taucherglocke. Sie besteht aus dem Licht, das von der Terrassenbeleuchtung plötzlich auf mich herabfällt. Inmitten eines Meers von Finsternis.
Minuten später: vereinzelte Photonen, Lichtquanten, die in fast vollkommener Dunkelheit meine Augen unter elektrische Spannung zu setzen suchen. Doch diese Augen schmerzen, sie glühen , sie verweigern sich tosende Sekunden lang, bis viele von ihnen, Millionen Photonen, in den Stäbchen am Außenring der Netzhaut endlich die Augenbarriere durchschießen, mein träges Gehirn erreichen, und ich zu sehen beginne.
Dabei zwinge ich meine schmerzenden Lungen zu einem flachen, unhörbaren Atemrhythmus. Ich höre Schritte, und Atem; anderen Atem. Ein Käuzchen schreit hohl. Marder laufen durch das Laub des Waldes, Dachse vielleicht. Ich stehe hinter eine Fichte gedrückt und befühle meine Schuhferse. Da ist ein Riss in meiner Schuhsohle. Und natürlich ist es kein Riss, es ist ein Schnitt.
Augenblicke zuvor noch bin ich durch den Garten gehetzt, zwei stiernackige, kahlgeschorene, in Anzügen steckende Verfolger hinter mir. Tierische Ausgeburten irgendeiner Spezialhölle, von denen die erste, wie ich beim Haus zu sehen geglaubt habe, eine lächerlich kleine Nase besitzt. Ich bin über den Zaun gehechtet, verspüre dabei einen Schlag auf meinen Schuh, von dem ich jetzt weiß, dass er von einem Messer geführt worden ist, das meine Sohle zerschnitten hat, dann sprinte ich die Wiese hinauf. Geradewegs in den Wald hinein, wo ich es nicht wage, die Richtung zum Goldenen Hirschen einzuschlagen, weshalb ich den Fahrweg ein paar Meter in die entgegengesetzte Richtung laufe.
Die beiden Männer sprechen nicht. Sie können aber nicht weit entfernt sein. Ich höre ihr Schnauben. Meine Eingeweide knoten sich zusammen wie ein Bündel Wäsche. Ich sehe Christian vor mir, bin aber außerstande, über ihn näher nachzudenken. Ich weiß nicht, warum Maettgen Bewacher braucht, die bewaffnet sind. Ich sperre meine Augen auf, lichtquantengierig, und meine Ohren kundschaften die Dunkelheit aus.
Jetzt Schritte, Stampede. Jemand rennt, stolpert und presst ein langes SSSCH zwischen den Zähnen hindurch. Dumpf schlägt der Mann ein paar Meter vor mir auf dem mit Wurzeln überwachsenen Waldweg auf. Jetzt haben sie gemerkt, wie es geht, dass hier nämlich ein Fahrweg im Wald hinter dem Haus vorbeiläuft. Sie kennen die Gegend nicht. Das ist mein Vorteil. Ich habe meine Karte genau studiert. Deshalb denke ich, dass meine Flucht nur hinauf durch den Wald gelingen kann, nicht über den Weg oder über die Wiese in meinem Rücken. Jetzt kommt die Taschenlampe. Man verrät sich. Doch um ein Haar streift der Lampenstrahl des sich aufrichtenden, angeschlagenen Tieres mein Bein.
Der Mann schleicht gebückt an mir vorbei, bis er nach einer Wegbiegung – dabei immer wieder die Lampe benutzend – meinem Hörbereich entschwindet. Nur noch kleine Feuerblitze zucken. Ich mache einen zögerlichen Schritt nach vorne und prüfe die Geräusche, die ich verursachen werde. Am Boden abseits des Pfades gibt es bloß Blaubeersträucher, ein paar Steine und dazwischen Massen von Fichtennadeln. Alles ist weich und wird meine Schritte schlucken. In der Dunkelheit steige ich etwa fünfzehn Meter höher. Das geht gut, meine Augen sind an die Nacht gewöhnt. Doch dann bleibe ich an einem Blaubeerstrauch hängen. Ich falle hin. Rutschen, Steinerollen, beinahe Lärm. Und da sind auch schon die Schritte eines der Männer zu hören. Ich stehe auf und verschmelze mit der Rückseite der nächsten Fichte. Ein Lichtkegel schnüffelt durch den Blaubeerhang. Auch der andere Mann ist inzwischen herbeigerannt. Er scheint keine Taschenlampe zu besitzen. Eine Weile stehe ich steif vor Schrecken da. Dann knicke ich meinen Körper ganz langsam ein, lese einen Stein auf und werfe ihn weit den Hang hinüber. Sofort zuckt der Lichtstrahl dorthin, vermutet mich, vermutet ein Tier. Und meine Position ist schon vergessen. Die Männer werden mit ihrer Taschenlampe niemals die Stelle wiederfinden, die sie zuvor beleuchtet haben. Sie gehen jetzt in Richtung des Steingeräusches. Ich fühle mich sicherer, muss nur noch
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