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Der dritte Schimpanse

Der dritte Schimpanse

Titel: Der dritte Schimpanse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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aufschlußreichen Verhalten zuwen­den : dem Laubenbau der Laubenvögel. Dabei handelt es sich um die kunstvollsten Bauten, die außer von Men­schen von irgendeiner Tierart errichtet und geschmückt werden.
    Hätte ich nicht bereits von den Lauben gehört, so hätte ich, wie die Forschungsreisenden des 19. Jahrhunderts in Neuguinea, die erste Laube, die ich zu Gesicht be­kam, für ein Werk von Menschenhand gehalten. Ich war an jenem Morgen in einem neuguineischen Dorf aufge­brochen, einer kleinen Welt für sich aus runden Hütten, mit sauber angelegten Blumenbeeten, perlengeschmück­ten Erwachsenen und Kindern mit Pfeil und Bogen im Mi ni atur format als Nachahmung der Waffen ihrer Vä-ter. Im Dschungel stieß ich plötzlich auf eine wunder­schön geflochtene, runde Hütte von zweieinhalb Meter Durchmesser und über einem Meter Höhe, deren Ein­gang groß genug war, um ein Kind durchzulassen. Vor der Hütte lag ein gesäuberter Rasen aus grünem Moos, auf dem Hunderte bunter Objekte offenbar absichtlich plaziert worden waren. Es handelte sich hauptsächlich um Blumen, Früchte und Blätter, aber auch Schmetter­lingsflügel und Pilze waren darunter. Die Objekte waren nach Farben geordnet, so daß zum Beispiel rote Früch­te neben roten Blättern lagen. Die größten Dekorationen waren ein beachtlicher Haufen schwarzer Pilze gegen-über dem Eingang und ein Haufen orangefarbener Pilze ein paar Schritte weiter weg. Alle blauen Objekte befan­den sich in der Hütte, rote draußen, und gelbe, violette, schwarze und ein paar grüne an anderen Orten.
    Die Hütte war aber kein Kinderspielplatz. Sie war das Werk eines ansonsten wenig imposanten Vogels von der Größe eines Eichelhähers mit der Bezeichnung Lau­benvogel, Angehöriger einer Familie von 18 Arten, de­ren Verbreitungsgebiet auf Neuguinea und Australi­en beschränkt ist. Die Lauben werden von Männchen mit dem ausschließlichen Zweck errichtet, darin Weib­chen zu verführen, die danach allein für den Nestbau und die Aufzucht der Jungen verantwortlich sind. Die Männchen sind polygam und versuchen, so viele Weib­chen wie möglich zur Paarung anzulocken.
    Diese erhalten von ihnen nichts als ihren Samen. Die Weibchen fliegen, oft in Gruppen, zwischen den Lau­ben hin und her und begutachten alle, die sich in der Nähe befinden, bevor sie sich für eine entscheiden und zur Paarung dorthin begeben. Mich erinnert das stark an die Szenen, die sich allabendlich am Sunset Strip , nur wenige Kilometer von meinem Haus in Los Angeles ent­fernt, in der Welt der Menschen abspielen.
    Weibliche Laubenvögel wählen ihren Bettgefährten nach der Qualität seiner Laube, der Zahl ihrer Verzie­rungen und der Übereinstimmung mit lokalen Regeln, die je nach Art und Population unterschiedlich sind. Manche Populationen bevorzugen blaue Dekorationen, andere rote, grüne oder graue. In manchen Gegenden treten auch ein oder zwei Türme an die Stelle der run­den Hütte, ein Gang mit Seitenwänden oder ein vierecki­ger Raum. Bei einigen Populationen werden die Lauben mit Hilfe zerquetschter Blätter oder selbst ausgeschiede­ner Öle angemalt. Diese unterschiedlichen lokalen Re­geln sind offenbar nicht angeboren, sondern werden von den Jungvögeln durch Beobachtung der Altvögel wäh­rend des Aufwachsens – und das dauert bei Laubenvö-geln etliche Jahre – gelernt. Die Männchen eignen sich an, wie die Lauben gebaut und verziert werden, und die Weibchen lernen die gleichen Regeln, um danach später ihre Wahl zu treffen.
    Auf den ersten Blick mag uns all das absurd erschei­nen. Denn es geht den Weibchen ja schließlich darum, einen guten Paarungspartner zu finden. Der Sieger im Wettkampf um die beste Partnerwahl ist aber im Sin­ne der Evolution dasjenige Weibchen, dessen Wahl auf das Männchen fällt, das es ihm ermöglicht, am meisten Nachkommen zu hinterlassen. Was nützt es da, wenn es sich den Kerl mit den blauen Früchten angelt?
    Bei der Partnerwahl stehen alle Tiere vor ähnlichen Schwierigkeiten. Betrachten wir nun einmal die Vogel­arten, bei denen die Männchen exklusive Reviere mar­kieren, zu denen sie Rivalen den Zutritt verwehren und die sie später mit einem Weibchen teilen (die meisten eu­ropäischen und nordamerikanischen Singvögelarten ge­hören dazu). Das Revier enthält den Nistplatz, aber auch die Nahrung, die dem Weibchen bei der Aufzucht der Jungen zur Verfügung steht. Folglich besteht ein Teil der Aufgabe des Weibchens darin, die Qualität

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