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Der dritte Schimpanse

Der dritte Schimpanse

Titel: Der dritte Schimpanse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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der Revie­re aller männlichen Kandidaten zu begutachten. Im an­deren Falle, wenn das Männchen beim Füttern und Be­schützen der Jungen mithilft und gemeinsam mit dem Weibchen jagt, geht es für beide Partner darum, die Ge­schicke des jeweils anderen als Elternteil und Jäger so­wie die Qualität ihrer Beziehung abzuschätzen. All diese Urteile sind schwer zu fällen, aber noch schwerer wird es für das Weibchen, wenn das Männchen ihm nichts als Samen und Erbanlagen bietet, wie im Falle des Lauben­vogels. Wie um alles in der Welt soll ein Tier die Gene eines möglichen Paarungspartners beurteilen, und was haben blaue Früchte damit zu tun ?
    Tiere haben nicht die Zeit, mit jedem potentiellen Paa­rungspartner zehn Junge in die Welt zu setzen und das Ergebnis, das heißt die Zahl überlebender Sprößlinge, zu vergleichen. Sie müssen deshalb eine Abkürzung ein­schlagen und sich auf Paarungssignale wie Gesänge oder ritualisierte Darbietungen verlassen. In der Tierverhal­tensforschung wird zur Zeit heiß diskutiert, ob und warum diese Paarungssignale überhaupt in versteck­ter Form Auskunft über die Güte der Erbanlagen geben. Wir brauchen aber nur an unsere eigenen Schwierigkei­ten bei der Wahl eines Partners und bei der Beurteilung seines wahren Reichtums, seiner Eignung als Vater oder Mutter und seiner genetischen Qualitäten zu denken.
    Überlegen Sie vor diesem Hintergrund, was es heißt, wenn ein Laubenvogel-Weibchen ein Männchen mit ei­ner guten Laube findet. Es weiß sofort, daß das Männ­chen kräftig ist, da die Laube hundertmal soviel wiegt wie es selbst und manche der Dekorationselemente, die es aus zig Meter Entfernung herbeischleppen mußte, halb so schwer sind wie sein eigener Körper. Das Weib­chen weiß auch, daß das Männchen genügend Geschick­lichkeit besitzt, um Hunderte von Stöcken und Zweigen zu einer Hütte, einem Turm oder Wänden zu verflechten. Es muß ein gutes Gehirn besitzen, um das komplizierte Design korrekt auszuführen. Seine Augen und sein Ge­dächtnis müssen gut funktionieren, wenn es ihm gelang, die Hunderte erforderlicher Dekorationselemente im Dschungel zu finden. Es muß überhaupt gut im Leben zurechtkommen, um so alt zu werden, daß es all diese Fertigkeiten zur Perfektion bringen konnte. Außerdem muß es anderen Männchen überlegen sein – diese ver­bringen nämlich einen großen Teil ihrer Zeit damit, an­dere Lauben zu demolieren und zu berauben, so daß am Ende nur die besten Männchen intakte Lauben mit einer großen Zahl von Dekorationen aufweisen. Der Laubenbau stellt mit anderen Worten einen umfassenden Test für die Güte der männlichen Gene dar.
    Es ist so, als würde eine Frau jeden ihrer Verehrer der Reihe nach einer Prüfung im Gewichtheben, Nähen, Schachspielen, Boxen und Sehen unterziehen und dann mit der Nummer eins ins Bett steigen. Verglichen mit Laubenvögeln, nehmen sich unsere eigenen Versuche, einen Partner mit guten Genen zu finden, kümmerlich aus. Wir orientieren uns an Lappalien wie den Gesichtszügen und der Länge des Ohrläppchens, am Sex-Appeal oder daran, ob jemand einen Porsche fährt, was alles ohne wirkliche genetische Relevanz ist. Denken Sie nur an all das menschliche Leid, das daraus folgt, daß sexy Frauen oder gutaussehende Porschefahrer in anderer Hinsicht oft jämmerliche Gene besitzen. Kein Wunder, daß so viele Ehen geschieden werden, nachdem zu spät erkannt wurde, wie schlecht die Wahl und wie dürftig die Kriterien waren.
    Wie aber kamen die Laubenvögel dazu, auf so kluge Weise die Kunst für einen so wichtigen Zweck einzuset­zen ? Bei den meisten Vogelarten werben die Männchen durch Zurschaustellung ihres bunten Körpers, durch Ge­sang, ritualisierte Darbietungen oder Nahrungsangebo­te – als schwache Indikatoren ihrer genetischen Qualität – um Weibchen. Bei zwei Gruppen von Paradiesvögeln in Neuguinea gehen sie einen Schritt weiter und säu­bern den Dschungelboden, wie Laubenvögel, damit ihre Darbietungen mehr Wirkung erzielen und ihr prächti­ges Gefieder besser zur Geltung kommt. Bei einer die­ser Paradiesvogelarten gehen die Männchen sogar noch weiter und dekorieren die gesäuberten Flächen mit Ob­jekten, die für ein nistendes Weibchen von Nutzen sind: Schlangenhaut für den Nestbau, Kalk oder Säugetierkot als mineralienhaltiges Futter und Früchte als Kalorien­quelle. Irgendwann lernten die Laubenvögel, daß auch an sich nutzlose Objekte als Indikatoren der Güte ihrer

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