Der dritte Schimpanse
chronische Kriegführung und sexuelle Abstinenz. Die Weltbevölkerung verdoppelt sich zur Zeit im Rhythmus von etwa 35 Jahren. Das ist zwar langsamer als bei den Rentieren auf St. Matthew, und die Insel Erde ist ja auch nicht nur größer als die Insel St. Matthew, sondern bietet auch elastischere Ressourcen als Flechten (wenngleich andere, wie zum Beispiel Öl, weniger elastisch sind). Doch der grundlegende Schluß bleibt der gleiche : Keine Population kann ewig wachsen.
Die mißliche ökologische Situation, in der die Menschheit heute steckt, hat also durchaus Vorläufer im Tierreich. Wie viele andere im Hinblick auf die Nahrung flexible Raubtiere rotten wir bei der Kolonisierung neuer Regionen oder nach Erwerb neuer zerstörerischer Fä-higkeiten einige Arten von Beutetieren aus. Wie manche jäh von ehemaligen Wachstumsbeschränkungen befreite Tierpopulationen setzen wir das eigene Überleben durch Vernichtung unserer Ressourcenbasis aufs Spiel. Stimmt es, daß wir uns bis zur industriellen Revolution in einem Zustand relativen ökologischen Gleichgewichts befanden und erst danach begannen, Arten in großem Stil auszurotten und die Natur zu überfordern ? Um diese Rousseausche Vorstellung geht es in den drei Kapiteln von Teil V.
Kapitel 17 beschäftigt sich mit dem verbreiteten Glauben an ein Goldenes Zeitalter in ferner Vergangenheit, in dem vermeintlich edle Wilde in Harmonie mit der Natur lebten. In Wirklichkeit war jedoch jede bedeutende Ausweitung des menschlichen Lebensraums während der letzten 10 000 Jahre und womöglich schon viel früher von massenhaftem Artensterben begleitet. Die direkte Beteiligung des Menschen wird an den beiden jüngsten Expansionen am deutlichsten – der Ausbreitung der Europäer über den Erdball seit 1492 und davor der Inbesitznahme von Inseln durch Polynesier. und Madagassen. Ältere Eroberungen, wie die erste Besiedlung des amerikanischen Kontinents und Australiens, waren ebenfalls vom Aussterben unzähliger Arten begleitet. Allerdings erschwert die verstrichene Zeit Schlüsse über Ursache und Wirkung.
Das Goldene Zeitalter stand mithin immer wieder auch im Zeichen massenhaften Artensterbens. Es ist zwar nicht bekannt, daß sich je eine größere menschliche Population durch Überbeanspruchung der eigenen Ernährungsgrundlage um die Existenz brachte, doch war dies bei einer Reihe von Populationen auf kleineren Inseln tatsächlich der Fall, während zahlreiche größere Populationen durch Überstrapazierung der eigenen Ressourcen zumindest den wirtschaftlichen Kollaps selbst herbeiführten. Die besten Beispiele liefern isolierte Kulturen wie die Zivilisationen der Osterinsulaner und der Anasazi. Umweltfaktoren spielten auch bei den großen Wandlungen der westlichen Zivilisation eine entscheidende Rolle, so beim Zusammenbruch der nahöstlichen, dann der griechischen und später römischen Hegemonialreiche. Der selbstzerstörerische Mißbrauch unserer Umwelt ist demnach keineswegs eine neuzeitliche Erfindung, sondern war schon immer eine wichtige Triebkraft der Geschichte.
Kapitel 18 geht ausführlicher auf die umfangreichsten, dramatischsten und umstrittensten Massenausrottungen des »Goldenen Zeitalters« ein. Vor rund 11 000 Jahren starben die meisten Großsäugetiere Nord- und Südamerikas aus. Ungefähr aus der gleichen Zeit stammen die ersten unwiderlegbaren Beweise für eine menschliche Besiedelung des amerikanischen Doppelkontinents durch die Vorfahren der Indianer. Es handelte sich um die größte Ausweitung des menschlichen Lebensraums, seit der Homo erectus vor einer Million Jahren in Afrika aufbrach, um Europa und Asien zu besiedeln. Das zeitliche Zusammentreffen der ersten Amerikaner und der letzten amerikanischen Großsäuger, das Fehlen von Massenausrottungen an anderen Orten zur gleichen Zeit sowie das Vorliegen von Beweisen dafür, daß einige dieser heute ausgestorbenen Tiere tatsächlich gejagt wurden, gaben Anlaß zur sogenannten »Blitzkriegs-Hypothese«. Danach traf die erste Welle menschlicher Jäger, während sie sich vermehrten und von Kanada bis Patagonien ausbreiteten, auf große Tiere, die noch nie zuvor Menschen gesehen hatten, und rotteten diese im Laufe ihres Vorrückens aus. Die Kritiker dieser Theorie sind jedoch mindestens so zahlreich wie die Befürworter. In Kapitel 18 wird das Für und Wider erörtert.
Im letzten Kapitel wird versucht, eine ungefähre Vorstellung von der
Weitere Kostenlose Bücher