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Der dritte Schimpanse

Der dritte Schimpanse

Titel: Der dritte Schimpanse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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Teil der Erde er kommt, und ver­sierte Anthropologen mögen es sogar fertig bringen, ihn einem bestimmten Land oder gar Landesteil zuzuord­nen. Bei einem Schweden, Nigerianer und Japaner hät­te beispielsweise niemand die geringsten Schwierigkei­ten, auf einen Blick zu bestimmen, wer woher kommt. Am auffälligsten unterscheiden sich bekleidete Men­schen natürlich in der Hautfarbe, der Farbe und Form der Augen und des Haares, der Körperform und (bei Männern) der Stärke des Bartwuchses. Trügen die zu identifizierenden Personen keine Kleidung, würden wir auch Unterschiede in der Körperbehaarung, der Größe, Form und Farbe der weiblichen Brüste und Brustwar­zen, der Form ihrer Ohrläppchen und Pobacken sowie der Größe und des Winkels des männlichen Penis fest­stellen. All diese variablen Merkmale sind Teil dessen, worin sich Rassen unterscheiden.
    Diese geographischen Unterschiede haben schon lan­ge eine Faszination auf Reisende, Anthropologen, Politi­ker und auch uns Normalbürger ausgeübt. Da die Wis­senschaft inzwischen so viele geheimnisvolle Fragen zu obskuren, unbedeutenden Tierarten gelöst hat, werden Sie mit Recht erwarten, daß sie auch für eine der nahe­liegendsten Fragen über uns selbst eine Antwort parat hat : die Frage nach den Gründen für das unterschied­liche Aussehen von Menschen unterschiedlicher Her­kunft. Unser Verständnis des Prozesses, in dessen Ver­lauf sich die Unterschiede zwischen Menschen und ande­ren Tieren herausbildeten, bliebe unvollständig, würden wir nicht auch danach fragen, wie es in seinem Verlauf zu den deutlich sichtbaren Unterschieden zwischen ein­zelnen menschlichen Populationen kam. Doch das The­ma Rassen ist so brisant, daß Darwin es in seinem be­rühmten, 1859 veröffentlichten Buch Über die Entste­hung der Arten völlig ausklammerte. Selbst heute wagen es nur wenige Wissenschaftler, sich mit den Ursprün­gen der Rassen zu beschäftigen, da sie fürchten müssen, schon wegen ihres Interesses an diesem Thema als Ras­sisten abgestempelt zu werden.
    Es gibt noch einen weiteren Grund, warum wir uns so schwer tun, die Bedeutung der rassischen Unterschie­de zu begreifen, und zwar, weil es sich um ein unerwar­tet kompliziertes Problem handelt. Zwölf Jahre nachdem Darwin sein Buch schrieb, in dem er den Ursprung der Arten auf die natürliche Selektion zurückführte, ver­faßte er ein weiteres Werk von 898 Seiten Umfang, in dem er den Ursprung der menschlichen Rassen von un­seren im letzten Kapitel erörterten sexuellen Präferen­zen ableitete und einen Einfluß der natürlichen Selekti­on völlig zurückwies. Trotz seiner klaren Äußerungen waren viele Leser nicht überzeugt. Bis heute ist Dar­wins Theorie der sexuellen Selektion heftig umstritten. Die meisten Biologen verweisen auf die natürliche Se­lektion, wenn es um die Erklärung der sichtbaren rassi­schen Unterschiede geht – vor allem der Unterschiede in der Hautfarbe, deren Zusammenhang mit der Intensi­tät der Sonnenstrahlen so einleuchtend erscheint. Doch Einigkeit herrscht unter Biologen nicht einmal darüber, warum die natürliche Auslese in den Tropen zu dunk­ler Haut geführt haben soll. Ich werde noch erläutern, warum ich der Meinung bin, daß die natürliche Selekti­on für die Ursprünge der menschlichen Rassen nur eine untergeordnete Rolle spielte und warum mir Darwins Hinweis auf die sexuelle Selektion als richtig erscheint. Nach meiner Auffassung sind die sichtbaren rassischen Unterschiede in der Hauptsache ein Nebenprodukt der Umgestaltung des menschlichen Lebenszyklus, der Ge­genstand von Teil II dieses Buches war.
    Um die Dinge zunächst in die richtige Perspektive zu rücken, sollten wir uns klarmachen, daß es unterschiedliche Rassen beileibe nicht nur beim Menschen gibt. Die mei­sten Pflanzen- und Tierarten mit genügend großem Ver­breitungsraum, darunter alle höheren Menschenaffen mit Ausnahme des Zwergschimpansen, dessen Lebensraum recht eng umrissen ist, weisen ebenfalls eine geogra­phische Variation auf. Bei manchen Vogelarten, wie der nordamerikanischen Dachsammer und der Schafstelze Eurasiens, ist sie so ausgeprägt, daß ein erfahrener Vogel­kundler den ungefähren Geburtsort eines Vogels anhand der Musterung seines Gefieders bestimmen kann.
    Bei den Menschenaffen sind viele der geographisch va­riierenden Merkmale die gleichen wie beim Menschen.
    So haben von den drei Gorilla-Rassen die westlichen Tieflandgorillas den kleinsten Körper

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