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Der dritte Schimpanse

Der dritte Schimpanse

Titel: Der dritte Schimpanse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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Sprachen beizubringen, wozu sie sich Plastikchips unterschiedlicher Größe und Farbe, Hand­zeichen wie denen von Taubstummen und überdimen­sionaler Computertastaturen, deren Tasten mit Symbolen markiert waren, bedienten. Wie berichtet wurde, konn­ten die Tiere auf diese Weise die Bedeutung von bis zu ei­nigen hundert Symbolen erlernen, und über einen Zwerg­schimpansen hieß es gar, er würde eine ganze Menge ge­sprochenes Englisch verstehen (aber natürlich nicht selbst sprechen). Diese Studien an Menschenaffen zeigen zu­mindest, daß die intellektuelle Fähigkeit zur Meisterung eines großen Wortschatzes bei ihnen vorhanden ist, wo­bei sich natürlich die Frage stellt, ob sie nicht in freier Na­tur auch selbst solche Vokabularien entwickelten.
    Es kommt einem doch verdächtig vor, wenn die Mit­glieder einer wilden Gorillahorde längere Zeit zusam­mensitzen und sich auf scheinbar undifferenzierte Wei­se gegenseitig angrunzen, bis dann plötzlich alle aufste­hen und sich in gleicher Richtung davonbewegen. Man fragt sich, ob in dem ganzen Gegrunze nicht doch eine Transaktion verborgen lag. Da Menschenaffen aufgrund der Anatomie ihres Stimmapparats nicht in der Lage sind, eine solche Vielzahl von Vokalen und Konsonan­ten zu erzeugen wie Menschen, dürfte ihr Wortschatz dem unseren kaum nahekommen. Trotzdem würde es mich wundern, wenn wilde Schimpansen und Gorillas die Meerkatzen nicht überträfen und über einige Dut­zend »Wörter« verfügten, womöglich auch Namen für einzelne Tiere. Dieses spannende Forschungsfeld, in dem immer schneller neue Erkenntnisse gewonnen wer­den, sollten wir gut im Auge behalten. Es bleibt abzu­warten, als wie groß sich die Kluft im Wortschatz von Menschenaffen und Menschen am Ende erweist.
    Die letzte noch offene Frage ist die, ob die lautliche Kommunikation von Tieren so etwas wie eine Gramma­tik oder Syntax aufweist. Menschen besitzen nicht nur einen Wortschatz aus mehreren tausend Wörtern mit unterschiedlicher Bedeutung, sondern wir fügen diese Wörter auch zu Sätzen zusammen und verändern ihre Formen nach grammatischen Regeln, welche die Bedeu­tung festlegen. Mit Hilfe der Grammatik können wir also aus einer endlichen Zahl von Wörtern eine theore­tisch unendliche Zahl von Sätzen bilden. Betrachten Sie dazu die beiden folgenden Sätze, deren Wörter und En­dungen sich zwar exakt gleichen, aber verschieden an­geordnet sind:
    »Der hungrige Hund biß dem alten Mann ins Bein.«
oder
»Der hungrige Mann biß dem alten Hund ins Bein.«
    Gäbe es keine Grammatik, hätten beide Sätze exakt die gleiche Bedeutung. Die meisten Linguisten würden laut­lichen Kommunikationssystemen von Tieren mit auch noch so großem Wortschatz nicht die Bezeichnung Sprache zubilligen, wenn sie nicht auch grammatische Regeln enthielten.
    Die Studien an Meerkatzen ergaben bis heute keinen Hinweis auf eine Syntax. Die meisten der Grunzlau­te und Alarmrufe werden isoliert ausgestoßen. Immer wenn Meerkatzen eine Folge von zwei oder mehr Lauten von sich gaben, stellte sich bei nachträglicher Analyse heraus, daß es sich nur um die Wiederholung des ersten Lauts handelte ; das gleiche war der Fall, als aufgezeich­net wurde, wie eine Meerkatze den Ruf einer anderen erwiderte. Kapuzineraffen und Gibbons haben Rufe aus mehreren Elementen, die nur in bestimmter Kombina­tion oder Folge verwendet werden; die Bedeutung die­ser Kombinationen bleibt aber – jedenfalls für uns Men­schen – noch zu entschlüsseln.
    Ich bezweifle, daß irgend jemand, der sich mit den Laut­systemen von Primaten befaßt, erwartet, selbst bei freile­benden Schimpansen auf eine Grammatik zu stoßen, die der des Menschen – mit Präpositionen, Tempora und In­terrogativpronomen – auch nur entfernt ähnelt. Offen bleibt aber vorerst die Frage, ob es eine Tierart mit eigener Syntax gibt. Die zu ihrer Klärung erforderlichen Studi­en an den Tieren, bei denen am ehesten mit einer Gram­matik zu rechnen ist, nämlich Zwerg- und gewöhnlichen Schimpansen, wurden einfach noch nicht begonnen.
    Während zwischen der lautlichen Kommunikation von Menschen und Tieren also zweifellos eine breite Kluft besteht, erfahren wir zur Zeit doch immer mehr darüber, welche Brücken von der Seite des Tierreichs zum Teil darüber gebaut wurden. Im folgenden soll es darum gehen, welche Brücke von menschlicher Seite über die Kluft ragt. Nachdem wir bereits komplexe tie­rische »Sprachen« entdeckt haben, fragen wir jetzt

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