Der dritte Schimpanse
sehr sich Tiere und Menschen demnach im Umfang ihres Wortschatzes unterscheiden, so unklar ist, ob der Unterschied wirklich so groß ist, wie er anmutet. Man bedenke, wie lange es gebraucht hat, bis wir die Meerkatzenrufe einzeln unterscheiden konnten. Erst 1967 fand man heraus, daß diese weitverbreiteten Tiere überhaupt Rufe mit unterschiedlicher Bedeutung haben. Und selbst die erfahrensten Beobachter scheitern ohne elektronische Analyse daran, manche dieser Rufe auseinanderzuhalten, und sogar mit Hilfe dieser modernen Technik sind einige der zehn noch umstritten. Daraus folgt, daß es bei den Grünen Meerkatzen (und anderen Tieren) noch viele Rufe geben könnte, die uns bisher einfach entgangen sind.
Daß wir Probleme haben, tierische Laute zu unterscheiden, ist auch gar kein Wunder, bedenkt man, welche Schwierigkeiten uns schon menschliche Laute bereiten. Kinder verbringen in den ersten Lebensjahren viel Zeit damit zu lernen, Unterschiede in den Äußerungen der Erwachsenen um sie her zu erkennen und wiederzugeben. Im Erwachsenenalter verlagern sich die Probleme auf die Unterscheidung von Lauten in menschlichen Sprachen, die uns nicht vertraut sind. Dafür, daß ich in der Schule vier Jahre Französisch hatte, ist es direkt peinlich, wie schlecht ich gesprochenes Französisch im Vergleich zu vierjährigen französischen Kindern verstehe. Doch Französisch ist eine leichte Sprache, vergleicht man sie mit der Iyau-Sprache, die im Seentiefland Neuguineas gesprochen wird und in der ein einziger Vokal je nach Tonhöhe über acht verschiedene Bedeutungen haben kann. Eine leichte Veränderung der Tonhöhe verwandelt die Bedeutung des lyau-Worts für »Schwiegermutter« in »Schlange«. Natürlich käme es für einen Iyau-Mann dem Selbstmord gleich, seine Schwiegermutter mit »geliebte Schlange« zu titulieren. Iyau-Kinder lernen denn auch, die unterschiedlichen Tonhöhen sicher herauszuhören und wiederzugeben. Eine ausgebildete Linguistin hingegen, die jahrelang ihre ganze Zeit dem Studium der Iyau-Sprache widmete, geriet immer wieder in Konfusion. In Anbetracht der Probleme, die wir mit fremden menschlichen Sprachen haben, wäre es geradezu überraschend, würden wir keine Unterschiede im Vokabular der Meerkatzen übersehen.
Unwahrscheinlich ist jedoch, daß uns Studien an Grü-nen Meerkatzen die Grenzen der lautlichen Kommunikation von Tieren vor Augen führen werden, da eher Menschenaffen an diese Grenzen stoßen dürften. Die Laute von Schimpansen und Gorillas mögen in unseren Ohren wie undifferenziertes Gegrunze und Gekreische klingen, aber das galt auch für die Meerkatzen, bevor man sie näher erforschte. Selbst menschliche Sprachen, von denen wir kein Wort verstehen, können sich wie reines Geschnatter anhören.
Leider ist die lautliche Kommunikation freilebender Schimpansen und anderer Menschenaffen noch nie mit den gleichen Methoden erforscht worden wie die der Grünen Meerkatzen, und zwar aus logistischen Gründen. Während das Revier einer Meerkatzenhorde typischerweise eine Ausdehnung von weniger als 600 Meter hat, sind es bei Schimpansen gleich mehrere Kilometer, was die Ausführung von Tonbandexperimenten mit Videokameras und versteckten Lautsprechern erheblich erschweren würde. Solche Probleme sind auch nicht umgehbar, indem man Menschenaffen untersucht, die in der Wildnis eingefangen und dann in Zookäfi -ge gesperrt wurden, da es sich hierbei in der Regel um bunt zusammengewürfelte, künstliche Gemeinschaften von Tieren handelt, die an verschiedenen Orten Afrikas gefangen wurden und dann zufällig im gleichen Käfig landeten. Ich werde in diesem Kapitel noch darauf eingehen, wie sich Sklaven aus verschiedenen Teilen Afrikas mit ursprünglich verschiedenen Sprachen in einer Weise verständigten, die fast jeder Grammatik entbehrte und nur ein schwaches Abbild menschlicher Sprache war. Ähnlich müssen Zooaffen ziemlich wertlos für das Studium des ganzen Spektrums lautlicher Kommunikation in einer Gemeinschaft freilebender Menschenaffen sein. Das Problem wird so lange ungelöst bleiben, bis jemand einen Weg weist, wie sich für Schimpansen die gleichen Erkenntnisse gewinnen lassen, die Cheney und Seyfarth für die wildlebenden Grünen Meerkatzen zutage förderten.
Mehrere Teams von Wissenschaftlern bemühten sich dennoch über Jahre, gefangenen Gorillas, gewöhnlichen und Zwergschimpansen das Verständnis und den Gebrauch künstlicher
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