Der dritte Zustand
Schlimmer als die Araber.«
»Und wenn ich Ihnen nun verspreche, nicht nervös zu werden und auch Sie nicht nervös zu machen?« meinte Fima. »Wir könnten uns doch wenigstens darauf einigen, daß jeder seinen Standpunkt hat?«
»Gut«, sagte der Fahrer, »Sie müssen bloß im Gedächtnis behalten, daß Sie’s selber gewollt haben. Bei mir ist das folgendermaßen: Ich bin für echten Frieden, wie das heißt, mit Absicherungen und Garantien und sämtlichen Bürgschaften und Rundumversicherung – für so ’nen Frieden würd’ ich persönlich denen die Gebiete außer der Westmauer geben und noch danke sagen, daß sie mir Ramallah und Gaza vom Hals geschafft haben. Seit uns dieser Mist siebenundsechzig zugefallen ist, geht uns der Staat flöten. Die haben uns völlig versaut. Geht’s Ihnen an die Gesundheit, das zu hören? Kommen Sie mir gleich mit Bibelversen angelabert?«
Fima vermochte die Fülle seiner Gefühle nur mit Mühe zu beherrschen: »Und wie, wenn ich fragen darf, sind Sie zu diesem Schluß gekommen?«
»Am Ende«, sagte der Fahrer müde, »am Ende werden alle dahin kommen. Vielleicht erst, nachdem noch ’n paar Tausend draufgegangen sind. Es gibt keine Wahl, mein Herr. Die Araber werden nicht von hier verduften und wir auch nicht, und zum Zusammenleben passen wir ungefähr so wie Katz und Maus. Das sagt die Wirklichkeit, und das sagt die Gerechtigkeit. Steht doch in der Thora, wenn zwei Klienten ein und denselben Tallit 21 halten und jeder schreit, das war’ sein Tallit von zu Hause, dann nimmt man eine Schere und schneidet ihn durch. So hat’s schon Mose selber bestimmt, und glauben Sie mir, der war nicht auf’n Kopp gefallen. Besser’nen Tallit durchschneiden als die ganze Zeit den Kindern den Hals. Welche Straße haben Sie gesagt, woll’nse?«
»Alle Achtung«, sagte Fima.
Und der Fahrer: »Was heißt alle Achtung. Wozu sagen Sie mir alle Achtung. Was bin ich denn, irgend ’ne Katze, die fliegen gelernt hat? Wenn Sie zufällig auch dieser Meinung sind, fang’ ich nicht an, Ihnen deswegen alle Achtung zu sagen. Was ich Ihnen aber sehr wohl sage, und da hören Sie gut zu: Es gibt in diesem Staat nur einen einzigen Menschen, der genug Kraft hat, den Tallit durchzuschneiden, ohne daß man ihm den Hals durchschneidet und ohne daß hier ein interner Bruderkrieg losgeht – und das ist Arik Scharon. Kein anderer kann das machen. Von ihm werden sie’s fressen.«
»Obwohl seine Hände mit Blut besudelt sind?«
»Gerade deswegen, mein Herr. Erstens sind nicht seine Hände blutbeschmiert, sondern die des Staats. Ihre und meine ebenfalls. Nicht alles auf ihn schieben. Außerdem, dieses Blut, was da geflossen ist – da verspür’ ich keine Gewissensbisse auf der Leber. Trauer ja. Aber keine Scham. Sollen die Araber sich schämen, nicht wir. Haben wir etwa Blut vergießen wollen? Die Araber haben uns dazu gezwungen. Von Anfang an. Von uns aus hat man überhaupt nicht mit Gewalt anfangen wollen. Sogar Menachem Begin, ein stolzer Patriot – als Sadat zu ihm gekommen ist, um in der Knesset um Verzeihung zu bitten, hat er ihm gegeben, was er haben wollte, bloß daß das mit dem Blut aufhört. Wenn Arafat so kommen würde, um in der Knesset Verzeihung zu sagen – würd’ er auch was kriegen. Bloß wie? Da soll der Arik die Sache mit Arafat perfekt machen, wie’s unter Gangstern eben geht. Was haben Sie denn gedacht? Daß da so ein Jossi Sarid 22 ankommt und mit diesem Dreckskerl einen Deal macht? Jossi Sarid – den fressen die Araber in einem Haps ohne Salz, und von den unsrigen kommt sicher auch gleich einer hergelaufen, knallt ihm ’ne Salve in’n Bauch und fertig. Am besten, Arik schneidet den Kram ab. Wenn Sie’s mit ’nem Raubtier zu tun haben, werden Sie dafür wohl ’n Jäger engagieren. Keine Bauchtänzerin. Ist das hier Ihr Haus?«
Als Fima merkte, daß er nicht genug Geld bei sich hatte, um die Fahrt zu bezahlen, und er dem Fahrer daraufhin anbot, ihm seinen Personalausweis als Pfand auszuhändigen, oder ein paar Minuten zu warten, bis er sichvon einem Nachbar ein paar Schekel ausgeliehen hatte, sagte der: »Lassen Sie man. Nicht weiter schlimm. Morgen oder übermorgen kommen Sie und bringen sieben Schekel zum Taxistand Elijahu. Sagen Sie, für Zion. Sie sind nicht zufällig vom Bibelverein? Oder so was in der Richtung?«
»Nein«, erwiderte Fima, »warum?«
»Mir schien, Sie wär’n im Fernsehen gewesen. Sicher einer, der Ihnen ähnlich sieht. Der hat auch schön
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