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Der Dritte Zwilling.

Der Dritte Zwilling.

Titel: Der Dritte Zwilling. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Er wußte nur noch, daß er irgendwann, den blutigen Schlüssel in der Hand, über dem Körper Tips stand, der am Boden lag, und er hörte, wie jemand hervorstieß: »Allmächtiger! Ich glaube, er ist tot.«
    Tip war nicht tot. Er starb erst zwei Jahre später, ermordet von einem Marihuana-Dealer aus Jamaika, dem er fünfundachtzig Dollar schuldete. Doch Steve hatte Tip töten wollen, hatte versucht, ihn zu töten. Und es gab keine Entschuldigung dafür; schließlich hatte er selbst den ersten Schlag ausgeteilt. Und wenngleich Tip sich den Kreuzschlüssel zuerst geschnappt hatte – Steve war derjenige gewesen, der brutal und blindwütig damit zugeschlagen hatte.
    Steve wurde zu sechs Monaten Jugendarrest verurteilt, doch das Urteil wurde zur Bewährung ausgesetzt. Nach dem Gerichtsverfahren wechselte Steve auf eine andere Schule und legte seine Prüfungen ab wie zuvor. Da er zum Zeitpunkt der Schlägerei noch nicht volljährig gewesen war, durfte seine Strafakte niemandem offengelegt werden; deshalb war es ihm möglich, sein Jurastudium aufzunehmen.
    In Moms und Dads Augen war diese Sache wie ein Alptraum, der nun aber vorüber war. Doch Steve hatte seine Zweifel. Er wußte, daß nur Glück und die Widerstandsfähigkeit des menschlichen Körpers ihn vor einer Mordanklage bewahrt hatten. Tip Hendricks war ein Mensch, und er, Steve, hätte ihn beinahe wegen einer Jacke totgeschlagen. Als er nun in dem stillen Zimmer Rickys ruhigen, regelmäßigen Atemzügen lauschte, lag er wach auf dem Sofa und fragte sich: Was bin ich?

MONTAG

Kapitel 4

    Bist du jemals einem Mann begegnet, den du heiraten wolltest?« fragte Lisa.
    Sie saßen am Tisch in Lisas Wohnung und tranken Instant-Kaffee. Es war ein rundum hübsches Apartment, so hübsch wie Lisa: Kunstdrucke mit Blumenmotiven, Porzellangeschirr, und ein Teddybär mit gepunkteter Fliege, Lisa wollte sich heute frei nehmen; Jeannie hingegen war bereits für den Arbeitstag gekleidet: marineblauer Rock und weiße Baumwollbluse. Es war ein wichtiger Tag für sie, und sie war nervös vor Anspannung: Die erste ihrer Versuchspersonen kam heute ins Labor, um sich den Tests zu unterziehen. Wird er deine Theorie erhärten? fragte sich Jeannie. Oder wird er sie über den Haufen werfen! Am späten Nachmittag würde sie sich entweder bestätigt sehen oder eine schmerzliche Neubewertung ihrer Thesen vornehmen müssen.
    Dennoch wollte sie so lange wie möglich bei Lisa bleiben. Die Freundin war immer noch sehr mitgenommen, und Jeannie hatte sich überlegt, daß es das Beste wäre, sich zu ihr zu setzen und über Männer und Sex zu reden, wie sie es immer taten. Das würde Lisa am ehesten helfen, den Weg zurück in die Normalität zu finden. Am liebsten wäre Jeannie den ganzen Morgen geblieben, doch das ging nicht. Es tat ihr aufrichtig leid, daß Lisa heute nicht im Labor sein und ihr helfen konnte, doch es war völlig undenkbar.
    »Ja, einmal«, beantwortete Jeannie nun Lisas Frage. »Es gab da mal einen Burschen, den ich heiraten wollte. Er hieß Will Temple. War Anthropologe. Ist es immer noch.« Jeannie konnte ihn vor sich sehen: ein großer, blondbärtiger Mann in Jeans und grobem Pullover, der sein Fahrrad mit Zehngangschaltung über die Flure der Universität trug. »Du hast schon mal von ihm gesprochen«, sagte Lisa.
    »Wie war er denn so?«
    »Ein prächtiger Kerl.« Jeannie seufzte. »Hat mich immer zum Lachen gebracht, hat sich um mich gekümmert, als ich krank war, hat seine Hemden selbst gebügelt. Und er hatte ein Ding wie ein Hengst.«
    Lisa lachte nicht, lächelte nicht einmal. »Warum hat es mit euch beiden nicht geklappt?«
    Jeannie gab sich flapsig, doch die Erinnerung schmerzte. »Er hat mich wegen Georgina Tinkerton ross sitzen lassen.« Wie als Erklärung fügte sie hinzu: »Vom Pittsburger Zweig der Familie.«
    »Wie war sie?«
    Allein der Gedanke an Georgina war Jeannie ein Greuel. Doch die Geschichte lenkte Lisa von der Vergewaltigung ab; also zwang sie sich, die Erinnerungen hervorzukramen. »Georgina war perfekt«, sagte sie und ärgerte sich über sich selbst, als sie den bitteren Sarkasmus in ihrer Stimme hörte. »Rotblond, eine Figur wie ein Stundenglas, und mit einem unfehlbaren Geschmack für Kaschmirpullover und Schuhe aus Krokodilleder gesegnet. Keinen Funken Verstand, aber ein riesiges Treuhandvermögen.«
    »Wann war das alles?«
    »Will und ich haben ein Jahr zusammengelebt, als ich an meiner Doktorarbeit schrieb.« Es war die glücklichste Zeit

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