Der Dritte Zwilling.
erfahrener Straßenschläger. Steve war durchtrainierter und konnte sich vermutlich schneller bewegen, doch seit Jahren hatte er niemanden mehr aus Wut geschlagen. Wäre mehr Platz gewesen, hätte er Porky vielleicht rasch außer Gefecht setzen können und wäre ohne ernste Verletzungen davongekommen.
Doch hier, in der Zelle, würde die Sache blutig enden, wer immer der Sieger blieb. Falls Detective Allaston die Wahrheit gesagt hatte, dann hatte Porky in den vergangenen vierundzwanzig Stunden bewiesen, daß er den Killerinstinkt besaß.
Hast du auch den Killerinstinkt, fragte sich Steve. Gibt es so etwas überhaupt? Er war nahe daran gewesen, Tip Hendricks totzuschlagen. Machte ihn das zu einem Menschen wie Porky?
Steve schauderte, als er daran dachte, was es bedeuten würde, als Sieger aus einem Kampf gegen Porky hervorzugehen. Er stellte sich vor, wie ein großer Mann blutend auf dem Boden der Zelle lag, und er, Steve, stand über ihm - genau so, wie er über Tip Hendricks gestanden hatte, und er hörte die Stimme von Spike, dem Zellenwärter sagen: »Allmächtiger! Ich glaube, er ist tot!« Nein, dachte Steve, dann lieber zusammengeschlagen werden.
Vielleicht war es das Beste, sich passiv zu verhalten. Es mochte sogar sicherer sein, sich bei einem Angriff auf dem Zellenboden zusammenzurollen und Porkys Tritte einzustecken, bis der Kerl die Lust verlor. Doch Steve wußte nicht, ob er das fertigbrachte. Also saß er mit trockener Kehle und fliegendem Puls auf dem Zellenboden und malte sich in seiner Phantasie Kämpfe aus, bei denen er stets unterlag.
Steve hegte den Verdacht, daß die ganze Sache ein Trick war, den die Cops oft anwendeten. Spike, der Zellenwärter, hatte ganz und gar nicht den Eindruck gemacht, als sei es so ungewöhnlich, daß man einen Gefangenen zu einem Kerl wie Porky steckte, obwohl die meisten Zellen leer waren. Womöglich überließen die Cops es den Häftlingen, einen Verdächtigen zusammenzuschlagen, um ihn zu einem Geständnis zu bewegen, statt diesen Job im Verhörzimmer selbst zu erledigen. Steve fragte sich, wie viele Leute ein Verbrechen gestanden hatten, obwohl sie unschuldig gewesen waren, nur um zu vermeiden, mit so jemandem die Nacht in einer Zelle verbringen zu müssen.
Steve schwor sich, diese Sache nie im Leben zu vergessen. Wenn er erst Anwalt war und Mandanten verteidigte, die man eines Verbrechens anklagte, würde er ein Geständnis niemals als Beweis betrachten. Er stellte sich vor, wie er vor einer Geschworenenbank stand. »Ich selbst wurde mal eines Verbrechens angeklagt, das ich nicht begangen hatte, aber ich war nahe daran zu gestehen«, würde er sagen. »Ich habe es selbst erlebt, ich weiß es.«
Dann fiel ihm ein, daß man ihn der Uni verweisen und er nie im Leben jemanden verteidigen würde, falls man ihn für schuldig befand. Doch er sagte sich immer wieder, daß man ihn nicht verurteilen konnte. Der DNS-Test würde seine Unschuld beweisen. Gegen Mitternacht hatte man ihn aus der Zelle geholt, ihm Handschellen angelegt, und war mit ihm zum Mercy Hospital gefahren, das nur ein paar Querstraßen von der Polizeizentrale entfernt war. Dort hatte man ihm eine Blutprobe entnommen, aus der man seine DNS extrahieren würde. Steve hatte eine Krankenschwester gefragt, wie lange diese Untersuchung dauerte und hatte zu seinem Entsetzen erfahren, daß die Ergebnisse in frühestens drei Tagen vorliegen würden. Niedergeschlagen hatte er sich in den Zellenblock zurückführen lassen. Man hatte ihn wieder zu Porky gesteckt, der gnädigerweise immer noch geschlafen hatte.
Steve schätzte, daß er es schaffen würde, vierundzwanzig Stunden wachzubleiben. Länger durfte man ihn ohne richterliche Verfügung nicht festhalten. Er war gegen sechs Uhr nachmittags verhaftet worden; demnach mußte er heute spätestens um die gleiche Zeit freikommen. Dann nämlich - wenn nicht schon eher - mußte man ihm die Gelegenheit bieten, um Kaution zu ersuchen. Das war seine Chance, hier herauszukommen.
Steve rief sich in Erinnerung, was er in der Vorlesung über die Kaution erfahren hatte. »Die einzige Frage, die das Gericht sich in diesem Zusammenhang stellen kann, geht dahin, ob die beschuldigte Person zur Verhandlung erscheint«, hatte Professor Rexam heruntergeleiert. Damals waren Steve diese Worte so einschläfernd wie eine Predigt erschienen; nun bedeuteten sie alles für ihn. Nach und nach fielen ihm weitere Einzelheiten ein, was die Kaution betraf.
Zwei Faktoren wurden
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