Der Dritte Zwilling.
musterte er Steve prü-fend. Steve stufte Porky als Verlierer ein, völlig heruntergekommen, aber gefährlich. Er schaute weg und spielte den Desinteressierten, ohne auf Porkys Frage zu antworten. Je länger Porky brauchte, sich ein Bild über seinen Zellenpartner zu machen, desto sicherer konnte Steve sich fühlen.
Als der Zellenwärter das Frühstück durch einen Schlitz in den Gitterstäben schob, beachtete Steve es nicht.
Porky nahm sich einen der Teller aus Styropor. Er schlang alles herunter: Schinken, Eier und Toast, trank den Kaffee und benutzte dann geräuschvoll die Toilette, ohne daß es ihm peinlich zu sein schien.
Als er fertig war, zog er sich die Hose hoch, setzte sich wieder auf die Pritsche, blickte Steve an und fragte: »Warum bisse hier drin, Junge?«
Das war der Augenblick der größten Gefahr. Porky lotete ihn aus, taxierte ihn, nahm Maß. Steve durfte nun auf keinen Fall als der Mensch erscheinen, der er war: ein verletzlicher Student aus der Mittelschicht, der seit Jahren jeder körperlichen Auseinandersetzung aus dem Weg gegangen war.
Langsam drehte er den Kopf seinem Zellenpartner zu, als würde er ihn jetzt erst bemerken. Einen langen Augenblick starrte er Porky düster an; dann erwiderte er in leicht schleppendem Tonfall: »’n beschissenes Arschloch wollte mich verscheißern. Ich hab’ ihm die beschissene Fresse so gründlich poliert, daß der Scheißer nich’ mehr aufgestanden is’.«
Porky starrte zurück. Steve konnte nicht erkennen, ob der Bursche ihm glaubte oder nicht. Einige Augenblicke verstrichen; dann fragte Porky: »Mord?«
»Jaaa.«
»Ich auch.«
Porky schien Steves Geschichte geschluckt zu haben. Verwegen fügte Steve hinzu: »Jetzt kann der beschissene Scheißkerl seine Scheißspielchen mit mir nicht mehr machen.«
»Jau«, sagte Porky.
Für längere Zeit herrschte Schweigen. Porky schien nachzudenken. Schließlich fragte er: »Warum ha’m die uns hier zusammengesteckt?«
»Die Wichser können mir nix beweisen«, erwiderte Steve. »Die haben sich gedacht, daß ‘se mich am Arsch haben, wenn ich dich kaltmache.«
Porkys Stolz war angekratzt. »Wat is’, wenn ich dich kaltmache?«
Steve zuckte die Achseln. »Dann haben ‘se dich am Arsch.«
Porky nickte behäbig. »Da is’ wat dran.«
Damit schien ihm der Gesprächsstoff ausgegangen zu sein. Nach einiger Zeit legte er sich wieder auf die Pritsche.
Steve wartete. War alles überstanden?
Nach einigen Minuten schien Porky wieder zu schlafen.
Als er zu schnarchen begann, ließ Steve sich an der Wand heruntersinken. Er zitterte vor Erleichterung.
Danach tat sich mehrere Stunden nichts.
Niemand kam, um mit Steve zu reden; niemand teilte ihm mit, was nun geschehen sollte. Hier gab es keinen Kundenschalter, an dem er sich Auskunft holen konnte. Steve brannte darauf zu erfahren, wann er die Chance bekommen würde, eine Kaution zu beantragen, doch niemand sagte es ihm. Er versuchte, den neuen Zellenwärter anzusprechen, doch der Mann beachtete ihn gar nicht.
Porky schlief immer noch, als der Zellenwärter erschien und die Gittertür öffnete.
Er legte Steve Hand- und Fußschellen an; dann weckte er Porky und verfuhr mit ihm genauso. Danach wurden sie mit zwei anderen Männern zusammengekettet, mußten die wenigen Schritte bis zum Ende des Zellenblocks gehen und wurden in ein kleines Büro geführt.
Das Zimmer war mit zwei Schreibtischen ausgestattet; auf beiden standen ein Computer und ein Laserdrucker. Vor den Schreibtischen befand sich eine Reihe grauer Plastikstühle. An einem der Tische saß eine elegant gekleidete Farbige von etwa dreißig Jahren. Sie ließ den Blick über die Gefangenen schweifen, sagte:
»Setzen Sie sich bitte«, und machte sich wieder daran, das Keyboard ihres Computers mit ihren manikürten Fingern zu bearbeiten.
Die Männer schlurften die Stuhlreihe entlang und nahmen Platz. Steve schaute sich um. Es war ein ganz normales Büro mit Aktenschränken aus Stahlblech, Anschlagbrettern, einem Feuerlöscher und einem altmodischen Safe. Nach dem Anblick der Zellen war es ein wunderschönes Zimmer.
Porky schloß die Augen; er schien wieder einzuschlafen. Einer der beiden anderen Gefangenen starrte mit ungläubigem Blick auf sein rechtes Bein, das in einem Gipsverband steckte, während der andere lächelnd in unergründliche Fernen blickte und offensichtlich gar nicht wußte, wo er sich befand. Entweder hatte er sich mit Rauschgift vollgepumpt, oder er war geistesgestört - oder
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