Der Druiden-Schatz
keine Rolle. Die andere Kraft hielt mich umklammert, und auch die Finsternis riß vor meinen weitgeöffneten Augen auf.
Zunächst sah ich in der Ferne einen Streifen. Er war nicht viel heller als die Dunkelheit, weil er grünlich schimmerte, zudem nicht hell war, sondern ebenfalls dunkel.
Er lag an einem fernen Horizont und erweiterte diesen allmählich in der Höhe, so daß ich immer mehr von dem erkennen konnte, was allmählich auf mich zuschwebte.
Ein Land, eine Welt, vielleicht schon ein anderes Reich. Sollte mein Kreuz mir etwa durch den Aktivierungsspruch den Weg zu Aibon hin geöffnet haben? Das wäre natürlich ideal gewesen oder auch nicht, denn aus Aibon gab es keine Rückkehr.
Ich hatte es schon erlebt, als Miriam di Carlo ihre Reise nach ›drüben‹ antrat. [3]
Als ich meinen Blick senkte und das Kreuz auf dem Handteller anschaute, stellte ich fest, daß sein Glühen zugenommen hatte. Zwar noch nicht so stark, wie ich es manchmal gewohnt war und auch nicht im Silberschein, sondern in einem grünlichen Ton, aber es war vorhanden, und ich spürte auch das leichte Vibrieren auf meiner Haut. Das Kreuz meldete sich. Es überbrachte mir eine Botschaft, und die Dunkelheit riß schlagartig.
Das überraschte mich.
Plötzlich stand ich im Hellen. Wenigstens kam mir das Licht, das mich umgab, hell vor. Wenn ich es mit dem vergleichen sollte, was mir von der Erde her bekannt war, konnte ich durchaus den Begriff Dämmerung gebrauchen. Die Dunkelheit also hatte mich ausgespien und in die Dämmerung hinein. In welche Welt?
Etwa nach Aibon hin?
Ich wollte daran nicht glauben und schaute mich zunächst einmal um. Die Druiden haben Aibon als das letzte grüne Paradies bezeichnet. Demgemäß hätte das Land oder die Gegend, in der ich mich aufhielt, den Vergleich mit
Aibon standhalten können, denn mich rahmten grüne Hügel ein. Ich sah Wälder, Seen, nur keine Häuser und über meinem Kopf spannte sich ein weiter Himmel, der eine graublaue Farbe angenommen hatte. Daß ich alles so gut erkennen konnte, hatte seinen Grund, denn ich stand auf einer der zahlreichen runden Hügelkuppen, die mir einen Blick über die anderen Erhebungen gestattete und auch hinein in weite Täler, die mehr an große Schüsseln oder Senken erinnerten. Reine Luft atmete ich, und ich machte mich auf den Weg ins Tal. Mir fiel auf, wie dicht und saftig das Gras war. Ich hatte das Gefühl, über einen Teppich zu laufen. Zeit war relativ geworden, und so ging ich einfach weiter.
Vielleicht war eine Stunde vergangen, vielleicht auch zwei. Jedenfalls erreichte ich einen kleinen Wald und eine Senke, die hinter den Wald lag, wie ich erst später feststellte.
Bisher war ich von einer fast heiligen Ruhe umgeben worden, das änderte sich nun, denn jenseits des Waldes vernahm ich Stimmen. Was diese Personen sprachen, war für mich nicht zu verstehen, jedenfalls redeten sie miteinander, und ich sah auch wenig später durch das Grün der Bäume den flackernden Schein eines Feuers.
Sehr vorsichtig wurde ich, duckte mich und tauchte in den Wald ein, wobei ich achtgab, daß die niedrig wachsenden Zweige der Bäume nicht in mein Gesicht peitschten.
Farnkraut und Unterholz wollte meinen Weg versperren. Das Farnkraut konnte ich zur Seite schieben. Beim Unterholz fiel es mir schwerer, denn es lag überall verteilt, und es knackte, wenn ich es mit meinem Gewicht belastete.
Bei jedem Laut zuckte ich zusammen, denn ich fürchtete, daß die andern mich hören konnten.
Nachdem ich mich einige Minuten völlig ruhig verhalten hatte, ging ich weiter.
Der Wald war dicht. Ein regelrechtes Geflecht aus Zweigen, Unterholz und alten Bäumen, deren Äste wie Arme zusammenschlangen, so daß sich ein regelrechter Urwald gebildet hatte. Manche Bäume lagen auch quer. Wind und Wetter mußten sie umgerissen haben, so daß sie jetzt Hindernisse bildeten.
Ich kletterte über sie hinweg. Auf den Stämmen hatte sich eine grüne Schicht gebildet, die mich an Schleim erinnerte, wenn ich hineinfaßte. So feucht und glitschig war das Zeug.
Und weiter kämpfte ich mich durch das dicht wachsende Farnkraut, durch ein Wirrwarr aus Zweigen und lianenartigen Gewächsen, bis ich einen kaum zu erkennenden Pfad erreichte, den das hier lebende Wild wohl irgendwann einmal geschaffen haben mußte, denn wie von Menschenhand entworfen sah er mir nicht aus.
Die Stimmen blieben. Ihr Schall wies mir den Weg. Durch das Geäst der Bäume fiel nur wenig Licht. Wenn ich den Erdboden sah, glich
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