Der Dschungel
nichs?«
Master Freddie sank in einen der großen Sessel, und Admiral Dewey legte sich darunter; er knurrte zwar nicht mehr, ließ aber Jurgis nicht aus den Augen. Er war stocknüchtern, der Admiral.
Der Butler hatte die Tür geschlossen und sich neben ihr postiert; er beobachtete Jurgis scharf. Dann hörte man draußen Schritte, und als er die Tür öffnete, kam ein Livrierter herein, der einen Klapptisch trug; ihm folgten zwei weitere Diener mit zugedeckten Tabletts. Sie standen wie aus Stein gehauen, während der erste den Tisch aufstellte und die Speisen von den Tabletts darauf servierte: kalte Pasteten, dünne Scheiben Fleisch, winzige butterbestrichene Sandwiches, von denen die Kruste weggeschnitten war, und als Dessert – jetzt, im Januar! – Pfirsiche mit Schlagsahne sowie Törtchen mit rosa, grüner, gelber und weißer Glasur. Dazu setzte er ein halbes Dutzend eisgekühlte Flaschen hin.
Als Master Freddie die erblickte, rief er begeistert: »Das is genau das Richige für dich! Komm, alter Junge, lassich nieder.«
Er setzte sich an den Tisch. Als der Diener eine Flasche entkorkt hatte, nahm er sie und schenkte sich ein Glas ein, kippte es hinunter und wiederholte diesen Vorgang gleich noch zweimal. Danach stieß er einen wohligen langen Seufzer aus und rief Jurgis wieder zu, er möge doch Platz nehmen.
Der Butler hielt den Stuhl gegenüber gefaßt, und Jurgis nahm an, er tue das, damit er sich nicht draufsetzen konnte. Schließlich aber ging ihm auf, daß er ihm den Stuhl nur unterschieben wollte, und so ließ er sich vorsichtig nieder.
Master Freddie merkte, daß die Diener seinen Gast verlegen machten, und er bedeutete ihnen mit einem Kopfnicken: »Ihr könnt gehn.«
Die drei entfernten sich, der Butler aber blieb.
»Das gilt auch für Sie, Hamilton«, sagte Master Freddie.
»Master Frederick ...« begann der andere.
»Sie solln gehn!« rief der junge Mann ungehalten. »Wohl Watte in’n Ohrn, was?«
Der Butler ging hinaus und schloß hinter sich die Tür; Jurgis, der nicht weniger gewitzt war als er, entging nicht, daß er den Schlüssel abzog, um durchs Schlüsselloch gucken zu können.
Master Freddie wandte sich wieder dem Tisch zu. »Na los«, forderte er Jurgis auf, »greif zu.« Und als der ihn ungläubig ansah, rief er: »Nu iß schon! Hau rein, alter Junge!«
»Wollen Sie denn nichts?« fragte Jurgis.
»Hab kein Hunger«, lautete die Antwort, »bloß Durst. Kitty un ich ham Pralinen gegessen. Fang nur an.«
So hielt Jurgis sich nicht länger mit Reden auf und langte zu. Das Messer in der einen und die Gabel in der anderen Hand, aß er wie mit zwei Schaufeln. Nachdem er einmal angefangen hatte, gewann sein Wolfshunger die Oberhand, und er gönnte sich keine Atempause, bis er alle Teller leergeputzt hatte.
»Dunnerlittchen!« sagte Master Freddie, der ihn staunend beobachtet hatte. Dann reichte er Jurgis die Flasche. »Mal sehn, wie du trinken kanns.«
Jurgis nahm sie, setzte sie an die Lippen, und eine köstliche flüssige Wonne, die nicht von dieser Welt schien, rann ihm die Kehle hinunter, ließ jeden Nerv von ihm prickeln, durchrieselte ihn mit Seligkeit. Er trank die Flasche bis zum letzten Tropfen leer und machte seinen Gefühlen durch ein langgezogenes »Aaah!« Luft.
»Gut, das Zeug, was?« fragte Freddie verständnisvoll. Er hatte sich in dem Clubsessel zurückgelehnt, legte nun den einen Arm hinter den Kopf und schaute Jurgis zu.
Und Jurgis schaute sich seinerseits ihn an. Er trug einen tadellos sitzenden Smoking, dieser Freddie, und sah blendend aus: ein hübscher Junge mit goldblondem Haar und dem Kopf eines Antinoos. Vertraulich lächelte er Jurgis zu und begann dann in seiner glücklichen Unbekümmertheit wieder zu plaudern. Diesmal redete er zehn Minuten ohne Pause, und dabei erzählte er Jurgis seine ganze Familiengeschichte. Sein großer Bruder Charlie liebte die tugendsame Maid, die in dem Stück »Der Kalif von Bagdad« das »Blauäuglein« spielte. Er war schon drauf und dran gewesen, sie zu heiraten, aber der »Chef« hatte geschworen, ihn dann zu enterben, und ihm zur Erleichterung der Entscheidung eine Summe Geld geschenkt, die nicht nur alle Phantasie, sondern auch des Blauäugleins Tugendhaftigkeit überstieg. Jetzt hatte sich Charlie vom College beurlauben lassen und war mit einem Automobil in quasi Flitterwochen gefahren. Der Chef hatte auch einem zweiten seiner Kinder mit Enterbung gedroht, nämlich Freddies Schwester Gwendolen, die mit einem
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