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Der Dschungel

Der Dschungel

Titel: Der Dschungel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Upton Sinclair
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Dann warfen sich alle drei auf Jurgis, und die vier wälzten sich schlagend und stoßend auf dem Fußboden herum.
    Eine Sekunde später stürzte ein Polizist herein, und der Zapfer brüllte noch einmal: »Vorsicht, er hat ein Messer!« Jurgis hatte sich schon wieder auf die Knie hochgekämpft, als der Polizist auf ihn zusprang und ihm seinen Knüppel übers Gesicht zog. Der Hieb brachte ihn zwar ins Wanken, doch loderte noch immer tierische Wut in ihm, und er kam auf die Füße und schlug wild in die Luft. Dann ging der Knüppel erneut nieder, traf ihn voll auf den Schädel, und Jurgis sackte wie leblos zusammen.
    Während der Polizist, seinen Knüppel schlagbereit in der Hand, über Jurgis hockte und wartete, daß er wieder hochkommen würde, stand der Zapfer auf und fuhr sich mit der Hand an den Kopf. »Mein Gott!« sagte er. »Dachte schon, mein letztes Stündlein ist gekommen! Hat er mir einen Stich beigebracht? Blute ich irgendwo?«
    »Ich seh nichts, Jake«, antwortete der Polizist. »Was ist mit ihm?«
    »Bloß ‘n Besoffener«, erklärte der andere. »Außerdem ‘n halber Krüppel. Hat mich trotzdem beinah unter die Theke gekriegt. Läßt wohl am besten den Wagen kommen, Billy.«
    »Nicht nötig«, sagte der Polizist. »Ich schätze, der wehrt sich nicht mehr. Und es ist ja nur ‘n kurzes Stück zu laufen.« Er zwängte seine Hand in Jurgis’ Kragen und zerrte daran. »Steh auf, du!« befahl er.
    Aber Jurgis regte sich nicht. Der Zapfer ging hinter den Schanktisch, und nachdem er dort rasch den Hunderter sicher versteckt hatte, kam er mit einem Glas Wasser zurück und goß es Jurgis übers Gesicht. Als der schwach zu stöhnen begann, zog ihn der Polizist auf die Beine und schleifte ihn aus dem Lokal. Die Wache war gleich um die Ecke, und so landete Jurgis einige Minuten später in einer Zelle.
     
    Ein paar Stunden blieb er bewußtlos, und als er wieder zu sich kam, quälten ihn rasende Kopfschmerzen und brennender Durst. Stöhnend lag er da, und ab und an rief er laut nach einem Schluck Wasser, aber niemand hörte darauf. Es gab auf dieser Wache noch mehr mit Fieber und eingeschlagenem Schädel; in der Riesenstadt waren es Hunderte und in dem Riesenland Zehntausende, und auch auf die alle hörte kein Mensch.
    Am Morgen bekam Jurgis einen Becher Wasser sowie ein Stück Brot und wurde dann in einen Wagen verfrachtet und zum nächsten Polizeigericht gefahren. Dort saß er zusammen mit zwanzig anderen auf der Anklagebank und wartete, bis er an die Reihe kam.
    Der Zapfer – ein stadtbekannter Schläger, wie sich zeigte – wurde in den Zeugenstand gerufen, und nach der Vereidigung erzählte er seine Geschichte: Der Angeklagte sei nach Mitternacht in betrunkenem Zustand und in streitsüchtiger Stimmung in sein Lokal gekommen, habe ein Bier bestellt und ihm dafür einen Dollarschein hingelegt. Auf diesen seien ihm ordnungsgemäß fünfundneunzig herausgegeben worden, doch habe er neunundneunzig Dollar mehr verlangt und dann, noch ehe er, der Schenkkellner, antworten konnte, sein Glas nach ihm geworfen, ihn anschließend mit einer Flasche tätlich angegriffen und das halbe Lokal demoliert.
    Dann wurde der Angeklagte vereidigt – ein verkommen aussehendes Subjekt, abgezehrt und unrasiert, den einen Arm in einem schmutzigen Verband, auf der einen Wange sowie am Oberkopf blutverkrustete Risse, das eine Auge dunkelblau verfärbt und völlig zugeschwollen.
    »Was haben Sie zu Ihrer Verteidigung vorzubringen?« fragte der Richter.
    »Euer Ehren«, sagte Jurgis, »ich bin in seine Kneipe gegangen und habe ihn gefragt, ob er mir einen Hunderter kleinmachen kann. Und er hat gesagt, ja, wenn ich was zu trinken bestelle. Da habe ich ihm den Schein rübergereicht, und dann hat er mir nicht rausgeben wollen.«
    Der Richter sah ihn erstaunt an. »Sie haben ihm einen Hundert-Dollar-Schein gegeben?«
    »Jawohl, Euer Ehren.«
    »Wo hatten Sie den denn her?«
    »Geschenkt bekommen, Euer Ehren, von einem Mann.«
    »Von was für einem Mann und wofür?«
    »Von einem jungen Mann, der mir auf der Straße begegnet war, Euer Ehren. Ich hatte gebettelt.«
    Im Gerichtssaal hörte man Gekicher. Der Polizist, der Jurgis festhielt, verbarg sein Lächeln hinter der Hand, und der Richter lachte sogar frei heraus.
    »Aber das ist wahr, Euer Ehren!« rief Jurgis erregt.
    »Sie haben doch gestern abend nicht nur gebettelt, sondern auch getrunken, nicht wahr?« forschte der Richter.
    »Nein, Euer Ehren«, widersprach Jurgis. »Ich

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