Der Dschungel
würde nach ihm fahnden und ihm das Geld wieder abnehmen. So sah er die einzige Möglichkeit darin, es in einer Kneipe zu versuchen. Er konnte für das Wechseln ja bezahlen, wenn es nicht anders ging.
Im Vorübergehen spähte er in verschiedene Lokale hinein. An mehreren ging er vorbei, weil sie ihm zu voll waren, und als er schließlich eines fand, in dem der Zapfer ganz allein war, ballte er in plötzlicher Entschlossenheit die Hände und trat ein.
»Kann ich hier wohl hundert Dollar gewechselt bekommen?« fragte er.
Der Zapfer war ein großer, bulliger Kerl mit einem Kinn wie ein Preisboxer und drei Wochen alten Bartstoppeln. Er starrte Jurgis an. »Was sagst du da?«
»Ob ich hier hundert Dollar gewechselt bekommen kann.«
»Du?« Der Mann machte ein ungläubiges Gesicht. »Wo hast die her?«
»Das tut doch nichts zur Sache«, sagte Jurgis. »Ich habe sie und möchte sie gern kleingemacht haben. Ich bestell auch was dafür.«
Der andere fixierte ihn scharf. »Zeig mal.«
»Krieg ich den Schein gewechselt, ja oder nein?« Jurgis hielt ihn in der Hosentasche fest umklammert.
»Wie soll ich wissen, daß der Lappen keine Blüte ist?« gab der Zapfer zurück. »Für wie dumm hältst mich?«
Langsam und mißtrauisch trat Jurgis nahe zu ihm hin. Er holte die Banknote heraus und fingerte einen Augenblick daran herum, während der Mann ihn über die Theke hinweg feindselig beäugte. Schließlich reichte Jurgis ihm den Schein hinüber.
Der Zapfer nahm ihn und begann ihn zu prüfen; er glättete ihn zwischen den Fingern und hielt ihn gegen das Licht, drehte ihn so lang und so lang, längs, hochkant und dann verkehrt herum. Die Banknote war noch neu und ziemlich steif, und das machte ihn argwöhnisch. Jurgis beobachtete ihn die ganze Zeit wie ein Luchs.
»Hm«, gab der Mann nach einem Weilchen von sich und sah den Fremden abschätzend an: ein zerlumpter, übelriechender Tramp, ohne Mantel, den einen Arm in der Binde – und dann einen Hundert-Dollar-Schein! »Willst was bestellen?« fragte er.
»Ja«, antwortete Jurgis. »Ein Bier.«
»Gut, ich wechsle ihn.« Und der Zapfer steckte den Schein in seine Tasche, schenkte Jurgis ein Glas Bier ein und stellte es auf die Theke. Danach ging er zur Registrierkasse, tippte fünf Cent ein und begann, Geld aus der Springlade zu nehmen. Schließlich kam er zu Jurgis zurück und zählte ihm Münzen hin: zwei Zehn-Cent-Stücke, einen Vierteldollar und einen halben Dollar. »Da«, sagte er.
Eine Sekunde lang wartete Jurgis, denn er dachte, der Mann würde wieder an die Kasse gehen. Dann sagte er: »Meine neunundneunzig Dollar.«
»Was für neunundneunzig Dollar?« fragte der Zapfer.
»Das Geld, das ich noch rauszukriegen habe!« rief Jurgis. »Der Rest von meinem Hunderter!«
»Wie bitte?« sagte der Zapfer. »Hast noch alle Tassen im Schrank?«
Jurgis starrte ihn fassungslos an. Einen Augenblick lang erfüllte ihn Entsetzen, lähmendes, schreckliches Entsetzen, das ihm das Herz zusammenschnürte, dann stieg Wut in ihm hoch, rasende, blindmachende Wut. Er stieß einen Schrei aus, ergriff sein Glas und schleuderte es dem Kerl an den Kopf. Der Zapfer duckte sich, so daß es ihm um Fingerbreite verfehlte. Er richtete sich wieder hoch, und während Jurgis sich mit seinem heilen Arm über die Theke schwang, versetzte er ihm einen Kinnhaken, der ihn rückwärts zu Boden schleuderte. Als Jurgis wieder auf die Beine kam und um den Schanktisch herum auf ihn zu wollte, schrie der Mann aus vollem Halse: »Hilfe! Hilfe!«
Im Laufen schnappte sich Jurgis eine Flasche von der Theke, und als der Zapfer auf ihn zusprang, schleuderte er sie mit voller Kraft nach ihm. Sie streifte nur seinen Kopf und zerschellte am Türpfosten in tausend Scherben. Jurgis stürzte zurück und wieder auf den Kerl los, der jetzt in der Mitte des Raumes stand. Diesmal griff Jurgis ohne Flasche an, und darauf hatte der andere nur gewartet – er ging ihm auf halbem Weg entgegen und streckte ihn mit einem wuchtigen Faustschlag zwischen die Augen zu Boden. Unmittelbar danach flogen die Schwingtüren auf, und zwei Männer stürmten herein – gerade als Jurgis, mit Wutschaum vorm Mund, wieder auf die Beine kam und versuchte, seinen gebrochenen Arm aus der Schlinge zu ziehen.
»Vorsicht!« brüllte der Zapfer. »Er hat ein Messer!« Als er sah, daß die beiden bereit waren mitzuprügeln, fiel er von neuem über Jurgis her und versetzte ihm, der nur schwach abwehrte, einen Schlag, der ihn abermals taumeln ließ.
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