Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Dschungel

Der Dschungel

Titel: Der Dschungel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Upton Sinclair
Vom Netzwerk:
Mann aufgetaucht, groß, stämmig und mit so ernster Miene wie ein Scharfrichter; er trug Butler-Dress. Unverzüglich steuerte er auf Jurgis zu, der ängstlich zurückwich, packte ihn ohne ein Wort am Ärmel und zog mit ihm in Richtung Haustür.
    »Hamilton«, ertönte da plötzlich Freddies Stimme, »mein Freund bleibt hier!«
    Der Mann hielt inne und lockerte seinen Griff.
    »Komm, alter Junge«, sagte Freddie, und Jurgis ging zu ihm hinüber.
    »Aber Master Frederick!« rief der Mann.
    »Kümmern Sie sich darum, daß der Kutscher – hick! – bezahlt wird«, gab ihm Master Frederick zur Antwort und hakte sich bei Jurgis ein.
    Der wollte schon sagen: »Das Geld dafür habe doch ich«, verschluckte es dann aber. Der Butler machte dem Diener ein Zeichen, woraufhin der zu der Droschke hinausging, während er selbst Jurgis und seinem jungen Herrn folgte.
    Sie durchquerten die große Halle, wandten sich dann seitwärts und blieben vor einer hohen, zweiteiligen Schiebetür stehen.
    »Hamilton?« sagte Master Freddie.
    »Bitte, Sir?«
    »Klemmen die Türn?«
    »Nein, Sir.«
    »Warum öffnen Sie sie uns dann nich?«
    Der Butler schob sie zurück. Wieder sah man einen großen Raum, der sich im Dunkeln verlor. »Licht!« befahl Master Freddie, und der Mann drehte an einem Schalter, woraufhin sich von oben her strahlende Helligkeit ergoß, die Jurgis halb blendete. Er starrte in die Runde und erkannte allmählich ein saalartiges Speisezimmer mit gewölbter Decke, von der das Licht herabflutete, und mit Wänden, die ein einziges großes Gemälde waren: Hier tanzten Nymphen auf einer blumenübersäten Wiese, dort jagte Diana mit ihren Hunden und Pferden durch einen Bergbach, gegenüber badete eine Gruppe Mädchen in einem Waldteich – alle in natürlicher Größe und so lebensecht, daß Jurgis meinte, es müsse Zauberei im Spiele sein, und er sich in ein Märchenschloß versetzt glaubte. Dann wanderten seine Augen zu dem in der Mitte stehenden langen Tisch. Er war so schwarz wie Ebenholz und hatte Beschläge aus getriebenem Silber und Gold; auf ihm stand eine große gemeißelte Schale mit glänzend schimmernden Farngewächsen und rotvioletten Orchideen, die im Schein einer zwischen ihnen verborgenen Lampe erglühten.
    »Das issas Speisezimmer«, erklärte Master Freddie. »Gefäll’s dir?« Da er bei jeder seiner Bemerkungen auf Antwort bestand, drehte er das Gesicht Jurgis zu und lächelte ihn an.
    Jurgis gefiel das Zimmer.
    »A’er zu groß, wennu allein drin essen solls«, lautete Freddies Kommentar. »Viel zu groß im unnemütlich! Was meinssu, hm?« Dann kam ihm ein anderer Gedanke, und ohne die Antwort abzuwarten, fuhr er fort: »Vleich hassu – hick! – so was noch nie gesehn, alter Junge?«
    »Nein, hab ich auch noch nicht«, sagte Jurgis.
    »Bis wohl vom Lande?«
    »Ja.«
    »Hab’s mir schon gedacht. ‘ne Menge Leute vom Lande ham so was noch nie gesehn. Mein Alter schleppt immer welche an. Kossenlose Besichigung – hick! – richiger Zirkus. Ham sie daheim was zu erzähln: das Haus vom alten Jones – Konserven-Jones – der vom Fleisch-Trust. Un alles mit Schweinen gemacht, der ausgekochte alte Gauner! Sieht mammal, wo unser Geld bleibt. Mengenrabatte un – hick! – eigne Bahnlinien! A’er seine Villa – phantassisch, einfach Klasse! Hassu schon mal was von Konserven-Jones gehört, alter Junge?«
    Jurgis war unwillkürlich zusammengezuckt, und Master Freddie, dessen scharfen Augen nichts entging, fragte sofort: »Was issen? Kennssu ihn?«
    Und Jurgis brachte stammelnd hervor: »Ich ... ich habe in den Yards gearbeitet.«
    »Waaas?« rief Master Freddie. »Du? In den Yards? Mann, dassa ‘n Ding! Lassir die Flosse drücken, Junge! Jetz müsser Chef hier sein – der wür sich freun, dich kennßulern. Hat was für die Leute übrig, mein Alter: Arbeit un Kapital, Gemeinsamkeit der Intressen un so – hick! Hamilton, darf ich vorstelln: ein Freund der Familie – alter Bekannter vom Chef – aussen Yards. Is mich besuchen gekomm, Hamilton, wolln uns ‘n vergnügten Aamd machen. Mein Freund, Mr. ... Wie heissu eintlich, alter Junge? Sag uns mal dein Naam.«
    »Rudkus. Jurgis Rudkus.«
    »Mein Freund, Mr. Redkes – Hamilton. Gebt euch die Hand.«
    Der vornehme Butler machte eine Verbeugung, jedoch nur mit dem Kopf, und sagte kein Wort.
    Plötzlich richtete Master Freddie den Finger auf ihn.
    »Ich weiß, was Sie glaum, Hamilton. Wetten wir ‘n Dollar, daß ich’s weiß? Sie glaum, ich bin betrunken!

Weitere Kostenlose Bücher