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Der Dschungel

Der Dschungel

Titel: Der Dschungel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Upton Sinclair
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hätte er Besseres zu erhoffen, wenn er noch wartete? Aber Jurgis hatte noch nie im Leben etwas gestohlen, und jetzt zauderte er eine Sekunde zu lange.
    Freddie hatte es inzwischen geschafft, einen Schein herauszuzupfen, und er stopfte den Rest wieder in seine Hosentasche. »Hier, mein Freund«, sagte er, »nimmas.« Mit unsicherer Hand hielt er ihm die Note hin.
    Sie standen gerade vor einer Kneipe, und im Licht von deren Fenster sah Jurgis, daß es ein Hundert-Dollar-Schein war.
    »Nimmas«, wiederholte Freddie. »Bezahl die Droschke un behalt den Rest. Ich bin nich gut im Rechen – mein Alter sagt, mir geht der Sinn für Geschäfte ab. Im Gegensatz zu ihm, denn er is darin ganz groß! ›In Ornung, Chef‹, hab ich zu ihm gesagt, ›schmeissu den Laan, un ich kassier!‹ Un nu soll Tanne Polly auf mich aufpassen. A’er die’s ja inner Klinik, un da kann ich – hick! – ein drauf machen. Hallo, heda! Hierher! Ruffu doch mal!«
    Eine Droschke kam vorbei, Jurgis sprang hin und rief den Kutscher an. Der lenkte den Wagen an den Bordstein und hielt. Freddie kletterte mit einiger Mühe hinein, und Jurgis wollte ihm nach, doch der Kutscher protestierte: »Du nicht! Du bleibst draußen!«
    Jurgis zögerte und wollte schon gehorchen, aber sein Gefährte bullerte los: »Wassatten der gegen dich? Wohl nich bei Trost, der Kerl?«
    Da fügte sich der Kutscher drein, und Jurgis stieg ein. Dann gab Freddie eine Hausnummer am Lake Shore Drive an, und die Droschke fuhr los. Der junge Mann lehnte sich zurück und schmiegte sich unter zufriedenem Murmeln an Jurgis. Eine halbe Minute später war er fest eingeschlafen. Am ganzen Leibe bebend, saß Jurgis da und hoffte auf eine Gelegenheit, doch noch an das Bündel Geldscheine heranzukommen. Doch traute er sich nicht, seinem Gefährten die Taschen zu durchsuchen, und außerdem paßte vielleicht der Kutscher auf. Der Hunderter war ihm sicher, und damit würde er sich zufriedengeben müssen.
     
    Nach etwa einer halben Stunde hielt der Wagen. Sie waren draußen am Seeufer; von Osten her kam ein eiskalter Wind über die zugefrorene Wasserfläche gefegt.
    »Da wären wir«, sagte der Kutscher, und Jurgis rüttelte Freddie wach.
    Der fuhr mit einem Ruck hoch. »Gu’n Morgen!« sagte er. »Wassen los? Wo sin wir? Wer bissen du? Ach ja, richig! Hab dich – hick! – beinah vergessen, alter Junge. Sin wir schon da? Mal sehn. Brrr, issas kalt! Ja, wir sin vorm Haus. Komm mit in meine – hick! – bescheidne Hütte!«
    Vor ihnen ragte ein gewaltiger Granitbau auf, weit zurückgesetzt und von einer Querstraße bis zur anderen reichend. Im Licht der Auffahrtlaternen sah Jurgis, daß er Türme und mächtige Ziergiebel hatte wie ein mittelalterliches Schloß. Er dachte, der junge Mann müsse sich geirrt haben – es schien ihm unvorstellbar, daß ein Privathaus so groß wie ein Hotel oder wie das Rathaus sein konnte. Doch er folgte schweigend, und sie stiegen Arm in Arm die breite Freitreppe hinauf.
    »Hier’s irgenwo ‘n Klingelknopf«, sagte Freddie. »Halt mich am Arm, bis ich ihn gefunnen hab. Langsam – so, da is er schon. Geschafft!«
    Innen schellte es, und ein paar Sekunden später wurde die Haustür geöffnet. Ein Mann in blauer Livree hielt sie auf und starrte dabei stumm wie eine Statue geradeaus.
    Einen Augenblick standen sie da und blinzelten ins Licht. Dann merkte Jurgis, daß sein Begleiter ihn weiterzog; er trat ein, und der blaue Automat schloß hinter ihnen die Tür. Jurgis klopfte das Herz; was er hier tat, war reichlich kühn – er hatte keine Ahnung, in welch fremden, unirdischen Ort er sich hineinwagte. Aladin konnte beim Betreten seiner Höhle nicht aufgeregter gewesen sein.
    Wo Jurgis stand, war zwar nur schwaches Licht, doch konnte er eine große Eingangshalle ausmachen, mit sich hoch oben im Dunkeln verlierenden Säulen und am anderen Ende einer großen Treppe. Der Fußboden war spiegelglatter Marmor mit Einlegearbeiten, und an den Wänden zeichneten sich seltsame Figuren ab, die in satten, harmonischen Farben in riesige Behänge eingewebt waren oder purpurn, rot und golden aus Gemälden herausschimmerten, in dem Halbdunkel so schön und geheimnisvoll wie das Flimmern der Abendsonne in einem schattigen Wald.
    Der Livrierte war schweigend näher getreten. Freddie nahm seinen Zylinder ab und reichte ihn ihm. Dann ließ er Jurgis’ Arm los und versuchte, aus seinem Mantel herauszukommen, was ihm aber erst mit Hilfe des Lakaien gelang. Inzwischen war ein zweiter

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