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Der Dschungel

Der Dschungel

Titel: Der Dschungel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Upton Sinclair
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Hinsicht: Schon bald kam er dahinter, was »Beziehungen« waren und warum Connor und ebenso der boxende Zapfer ihn hatten ins Gefängnis bringen können. Eines Abends wurde ein Ball veranstaltet, ein Benefiz für den »einäugigen Larry«, einen Lahmen, der in einem der Edelbordelle in der Clark Street Geige spielte und am Levee ein bekanntes Original war. Dieser Ball fand in einem großen Tanzsaal statt und gehörte zu jenen Festen, auf denen sich Chicagos leichtes Gewerbe zügellos austobte. Jurgis nahm daran teil, betrank sich fast bis zur Besinnungslosigkeit und fing dann eines Mädchens wegen Streit an; er konnte seinen Arm inzwischen wieder einsetzen, und so räumte er ganz schön im Saal auf und landete schließlich in einer Zelle auf der Polizei. Da die Wache überfüllt war und nach Pennern stank, schmeckte es ihm gar nicht, seinen Rausch dort ausschlafen zu müssen, und er ließ Halloran Bescheid sagen. Der rief den Bezirkschef an und bekam Jurgis per Telephon um vier Uhr früh gegen Kaution frei. Als Jurgis dann später am Vormittag vor dem Polizeirichter erscheinen mußte, hatte der Bezirkschef inzwischen schon mit dem Gerichtssekretär gesprochen und erklärt, bei Jurgis Rudkus handle es sich um einen gesetzesfürchtigen Bürger, der nur mal über die Stränge geschlagen hat, und so wurde unser Freund lediglich zu einer Strafe von zehn Dollar verurteilt und diese obendrein »ausgesetzt«, das heißt, er brauchte sie nicht gleich zu bezahlen, ja niemals, sofern es nicht irgendwann mal jemandem einfiel, sie gegen ihn geltend zu machen.
    Bei den Leuten, unter denen Jurgis sich jetzt bewegte, saß das Geld ungleich lockerer als bei denen in Packingtown; doch so seltsam es auch anmuten mag, er trank in dieser Zeit viel weniger als früher. Er wurde ja nicht mehr wie damals als Arbeiter durch Erschöpfung und Hoffnungslosigkeit dazu getrieben, denn seine jetzigen Tätigkeiten waren lohnend, brachten wirklich etwas ein. Sehr bald erkannte er, daß sich ihm bei klarem Kopf ganz andere Möglichkeiten und Chancen erschlossen, und da er ein Mann von Energie war, hielt er nicht nur den eigenen Alkoholkonsum in Grenzen, sondern half auch seinem Freund, standhaft zu bleiben; der gute Duane war nämlich dem Wein und der Weiblichkeit weit mehr zugetan als er.
    Eins führte zum andern. Als Jurgis eines sehr späten Abends mit Duane in der Kneipe zusammensaß, wo er Buck Halloran kennengelernt hatte, kam ein »Provinzterrier« – ein Einkäufer für einen auswärtigen Händler – herein, der schon einiges über den Durst getrunken hatte. Außer dem Zapfer war niemand weiter im Lokal, und als der Mann wieder ging, folgten Jurgis und Duane ihm nach. Er bog um die Ecke, und in einem dunklen Winkel zwischen der Hochbahn und einem leerstehenden Mietshaus sprang Jurgis vor und hielt ihm einen Revolver unter die Nase, während Duane, den Hut tief ins Gesicht gezogen, mit blitzschnellen Fingern seine Taschen durchsuchte. Sie nahmen ihm seine Uhr und sein »Pulver« ab, und noch ehe er mehr als einmal um Hilfe schreien konnte, waren sie längst um die Ecke und schon wieder in der Kneipe. Der Zapfer, dem sie einen Wink gegeben hatten, hielt ihnen bereits die Kellerklappe auf, und sie verschwanden durch eine Geheimtür in das Bordell nebenan. Von dessen Dach führten Zugänge zu drei benachbarten Freudenhäusern. Mittels dieser Verbindungswege konnten sich die Kunden dieser Etablissements aus dem Staube machen, wenn Zwistigkeiten mit der Polizei mal eine Razzia zur Folge hatten, und außerdem brauchte man auch eine Möglichkeit, im Notfall ein Mädchen wegzuschaffen. Tausende kamen auf Stelleninserate für »Dienstmädchen« und »Fabrikarbeiterinnen« hin nach Chicago und mußten feststellen, daß sie Schwindelagenturen auf den Leim gegangen und in einem Bordell gelandet waren, wo man sie festhielt. Meist genügte es, ihnen die Kleider wegzunehmen, manchmal aber mußten sie unter Drogen gesetzt und wochenlang eingesperrt werden. Inzwischen telegraphierten ihre Eltern vielleicht der Polizei oder kamen womöglich selber angereist, um nachzuforschen, warum nichts unternommen wurde. Zuweilen konnte man sie nur dadurch loswerden, daß man sie das Haus durchsuchen ließ, zu dem die Spur ihrer Tochter geführt hatte.
    Für seine Hilfestellung bekam der Zapfer zwanzig von den rund hundertdreißig Dollar ab, die die beiden erbeutet hatten. Dadurch wurden sie natürlich gut Freund mit ihm, und ein paar Tage später machte er sie mit einem

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