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Der Dschungel

Der Dschungel

Titel: Der Dschungel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Upton Sinclair
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kleinen Juden bekannt, einem gewissen Goldberger, der zu den »Geschäftsführern« des Bordells gehörte, in dem sie untergeschlüpft waren. Nach ein paar Gläsern begann Goldberger zögernd zu erzählen, wie er wegen seines besten Mädchens Streit mit einem betrügerischen Kartenprofi bekommen und sich von dem einen Kinnhaken eingehandelt habe. Der Kerl sei fremd in Chicago, und wenn man ihn eines Nachts mit eingeschlagenem Schädel findet, werde kein Hahn laut danach krähen. Jurgis, der inzwischen so weit war, daß er allen Falschspielern von Chicago mit Vergnügen den Schädel eingeschlagen hätte, fragte, was denn dabei für ihn rausspringen würde. Darauf wurde Goldberger noch vertraulicher und erklärte, er könne mit ein paar Tips für die Pferderennen in New Orleans dienen – direkt vom Polizei-Captain des Bezirks, dem er mal aus einer Klemme geholfen hat und der in enger Beziehung zu einem großen Syndikat von Rennstallbesitzern steht. Duane kapierte sofort, doch ehe Jurgis aufging, was ein solches Angebot bedeutete, mußte ihm erst der ganze Wettbetrieb erklärt werden.
    Da sei der riesige Turf-Trust. In jedem Bundesstaat, wo er Rennen veranstaltet, habe er sich das Parlament gesichert; ihm würden sogar einige der überregionalen Zeitungen gehören, so daß er die öffentliche Meinung bestimmt – keine Macht im Lande könne gegen ihn an, ausgenommen vielleicht der Wettbüro-Trust. Er baue überall großartige Turfplätze und locke mit enormen Gewinnquoten das Publikum an, um es dann durch abgekartete Rennen um jährlich Hunderte von Millionen Dollars zu schröpfen. Früher wären Pferderennen ein Sport gewesen, heutzutage aber seien sie ein Geschäft; man könne ein Pferd »dopen«, also durch Aufputschmittel zu höherer Leistung antreiben, könne es übertrainiert oder untertrainiert an den Start schicken, könne es jeden beliebigen Augenblick stürzen lassen – oder durch einen Hieb mit der Peitsche aus der Gangart bringen, was die Zuschauer dann alle als verzweifelte Anstrengung ansehen, es an der Spitze zu halten. Solcher Tricks gebe es Dutzende, und angewendet würden sie teils von den Pferdebesitzern, teils von den Jockeys und Trainern oder auch von Außenstehenden, die diese dazu bestechen – hauptsächlich aber von den Direktoren des Trusts selbst. Zum Beispiel fänden jetzt gerade die Winterrennen in New Orleans statt; da lege ein Syndikat die Ergebnisse für jeden Tag im voraus fest, und es habe in allen Städten des Nordens seine Leute, die die Wettbüros »melken«. Die Nachrichten würden kurz vor dem Rennen telephonisch in verschlüsselter Form durchgegeben, und wer an das Geheimnis herankommt, der habe damit praktisch ein Vermögen in der Hand. Falls Jurgis das nicht glaubt, sagte der kleine Jude, können sie sich ja morgen da und da treffen und die Probe aufs Exempel machen. Jurgis war gern bereit, Duane natürlich ebenfalls, und so gingen sie dann am nächsten Tag in eines der exklusiveren Wettlokale mit Börsenmaklern und Geschäftsleuten als Kundschaft und Privatzimmern für Damen der Gesellschaft, setzten jeder zehn Dollar auf ein sechs zu eins stehendes Pferd namens Beldame und gewannen. Für ein Geheimnis wie das wären sie bereit gewesen, mehr als einen Mann zusammenzuschlagen, doch ein paar Tage später ließ Goldberger sie wissen, daß sein Falschspieler inzwischen Wind bekommen und sich aus der Stadt verdünnisiert habe.
     
    Es gab in dem Metier Hochs und Tiefs, doch hatte man immer seinen Unterhalt, wenn nicht draußen, dann eben im Gefängnis. Anfang April waren die Magistratswahlen fällig, und das bedeutete Konjunktur für die Korruption. Jurgis, der sich in Spelunken, Spielhöllen und Bordellen herumtrieb, kam mit den Handlangern beider Parteien zusammen, lernte in der Unterhaltung mit ihnen all die Winkelzüge dieses Spiels kennen und hörte von diversen Möglichkeiten, sich zur Wahlzeit nützlich zu machen. Buck Halloran war Demokrat, und so wurde Jurgis ebenfalls Demokrat, allerdings kein fanatischer – die Republikaner waren ja auch ganz nette Leute, und sie sollten bei diesem Wahlkampf eine Menge Geld zur Verfügung haben. Letztes Mal hatten sie vier Dollar pro Stimme gezahlt, die Demokraten dagegen bloß drei; und als Buck Halloran und Jurgis eines Abends mit einem dritten Mann beim Kartenspielen saßen, erzählte der, wie Halloran damals eine Gruppe von siebenunddreißig italienischen Neueinwanderern zur Wahl schleppen sollte und wie er selbst jenen Zutreiber

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