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Der Dschungel

Der Dschungel

Titel: Der Dschungel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Upton Sinclair
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ebenso bei zahlreichen kleineren Veranstaltungen war Jurgis unermüdlich tätig. Er hielt zwar keine Reden – dafür waren Rechtsanwälte und andere da, die sich darauf verstanden –, aber er half organisieren, verteilte Flugblätter, klebte Plakate und brachte die Massen heran, und war die Schau dann im Gang, kümmerte er sich um das Feuerwerk und das Bier. So gingen im Lauf der Kampagne viele hundert Dollar von dem Geld des jüdischen Brauers durch seine Hände, und er verwaltete sie mit naiver, rührender Ehrlichkeit. Gegen Ende merkte er jedoch, daß die anderen eine Wut auf ihn hatten, weil sie seinetwegen gezwungen waren, entweder weniger Erfolge als er zu melden oder aber darauf zu verzichten, ihr Schäfchen ins trockne zu bringen. Danach tat Jurgis dann sein Bestes, um nicht mehr anzuecken und um wettzumachen, daß er erst so spät entdeckt hatte, wo sich das Faß überall anbohren ließ.
    Mike Scully zeigte sich mit ihm sehr zufrieden. Am Wahltag war Jurgis schon um vier Uhr früh auf den Beinen, um Wähler anzuschleppen; er hatte einen zweispännigen Wagen, fuhr damit von Haus zu Haus, holte seine Bekannten ab und führte sie im Triumphzug zu den Urnen. Er selbst wählte ein halbes Dutzend Mal und ließ das auch einige seiner Freunde tun; er holte ein Gruppe Neueinwanderer nach der anderen heran – Litauer, Polen, Böhmen, Slowaken und wenn er sie durch die Mühle gedreht hatte, übergab er sie einem anderen Mann, der sie zum nächsten Wahllokal brachte. Als Jurgis das erste Mal losgefahren war, hatte er von seinem Wahlleiter hundert Dollar mitbekommen, und im Lauf des Tages mußte er dreimal zurück, um sich neue hundert geben zu lassen; von jedem Packen konnte er nicht mehr als fünfundzwanzig in die eigene Tasche stecken, denn die anderen brauchte er zum tatsächlichen Stimmenkauf. Und so verhalfen sie dann – an einem Tag, an dem in den anderen Stadtteilen die Demokraten sensationellen Zuwachs erhielten – dem »Republikaner« Scotty Doyle, dem einstigen Kegelaufsteller, zum Sieg. Als das geschafft war, belohnte sich Jurgis mit einem mordsmäßigen, von fünf Uhr nachmittags bis morgens um drei währenden Besäufnis. Doch tat das nahezu jedermann in Packingtown, denn es herrschte allgemeiner Jubel über diesen Triumph der Volksherrschaft, diese vernichtende Niederlage eines arroganten Plutokraten durch die Macht des einfachen Volkes.

26
    Nach den Wahlen blieb Jurgis weiterhin als Arbeiter in Packingtown. Die öffentliche Kampagne gegen die Beschützung von Verbrechern durch die Polizei dauerte an, und da schien es ihm im Augenblick das beste, leise zu treten. Er hatte an die dreihundert Dollar auf seinem Sparbuch, hätte also gut und gerne aufhören und sich eine Ruhepause gönnen können. Aber die Arbeit war leicht, und die Macht der Gewohnheit hielt ihn fest. Zudem hatte Mike Scully, den er um Rat angegangen war, ihm bedeutet, es werde sich vielleicht schon bald »etwas ergeben«.
    Jurgis hatte sich in einem Logierhaus eingemietet, in dem ein paar gleichgesinnte Freunde wohnten. Er war inzwischen auch bei Ponia Aniele gewesen, um sich nach Elzbieta und ihrer Familie zu erkundigen; er hatte dort erfahren, daß sie in die Innenstadt gezogen seien, und so machte er sich weiter keine Gedanken um sie. Der Kreis, in dem er sich bewegte, bestand aus jungen, unverheirateten »flotten« Männern. Seine Düngerkluft hatte Jurgis schon vor geraumer Zeit auf den Müll geworfen, und seit er in die Politik gegangen war, trug er einen Leinenkragen und einen speckig glänzenden roten Binder. Er konnte es sich jetzt leisten, auf seine Kleidung zu achten, ja von den rund elf Dollar, die er in der Woche verdiente, zwei Drittel zu seinem Vergnügen auszugeben; seine Ersparnisse brauchte er nicht anzugreifen.
    Manchmal fuhr er mit einer Clique in die City, wo sie dann in billige Theater, Tingeltangel oder Musiklokale gingen. Viele Kneipen in Packingtown hatten Billardtische und manche auch Kegelbahnen, so daß immer die Möglichkeit bestand, abends um ein bißchen Geld zu spielen; außerdem gab es die Karten und die Würfel. Eines Samstagabends geriet Jurgis in eine Kartenrunde und gewann enorm. Da er beherzt war, machte er weiter; das Spiel währte bis zum späten Sonntagnachmittag, und hinterher war er um zwanzig Dollar ärmer. An den Samstagabenden fanden in Packingtown meist mehrere Bälle statt; jeder brachte dazu sein Mädchen mit, zahlte fünfzig Cent Entree und dann noch etliche Dollar für Getränke im

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